Theaterbauten in der Preussischen Rheinprovinz

Von Sascha M. Salzig

Bühne frei für das Theater! – Eine Einleitung

Antike Wurzeln

Nach der ersten Blüte des Theaterspiels in der Antike und den großen Theaterbauten in Griechenland und im römischen Reich verlor die darstellende Kunst zunächst im öffentlichen Leben ihren vorherigen Stellenwert. So bestand auch für lange Zeit keine Notwendigkeit mehr, Bühnenbauten zu errichten, auch wenn sich das Theaterspiel freilich nie überlebt hatte. Es blieb, neben den fahrenden Theatertruppen, ein Teil der städtischen Festkultur, u.a. in Form von geistlichen Spielen oder Fastnachtsstücken. Diese Aufführungen fanden aber nicht mehr in eigens dafür gebauten dauerhaften Theatern statt, sondern in Kirchen, Klöstern, Gastwirtschaften, Zunfthäusern oder auf ephemeren hölzernen Bühnen auf den Marktplätzen.

Renaissance

Feste Bühnenbauten wurden nach der Antike erst wieder in der Renaissance errichtet. In dieser Zeit begann die Ära des höfischen Theaterbaus, zunächst implementiert in bereits bestehende große Säle der Schlösser und damit von außen unsichtbar. Auch diese Hoftheater blieben nicht immer dauerhaft bestehen; oft wurden sie nur für bestimmte Aufführungen errichtet und danach wieder entfernt.

Ebenso begannen sich in der Renaissance Akademien für eigene Bühnenbauten zu interessieren. Im Jahr 1585 wurde in Vicenza mit Andrea Palladios Teatro Olimpico der Accademia Olimpica das erste feste eigenständige Theatergebäude Europas eröffnet.

Das 19. Jahrhundert – höfisch und bürgerlich

Im Klassizismus setzte sich die Idee des freistehenden (zunächst höfischen) Theaterbaus durch, einerseits, um das Gebäude als Monument in der Stadt zu inszenieren, andererseits aber auch infolge der mittlerweile leidvoll erkannten hohen Brandgefahr der Theater. Vorbildgebend wurde dabei die 1741‒1743 in gräzisierender Formensprache und repräsentativer städtebaulicher Situation errichtete Berliner Königliche Oper, die heutige Staatsoper Unter den Linden. Die von nun an obligatorische Verknüpfung des Theaterbaus mit der Architektur des griechischen Tempels rief ab den 1770er Jahren die Ablehnung der Architekturkritiker hervor. Denn mittlerweile war der hellenistische Baustil auch Standard für andere öffentliche Bauten geworden und es fiel zuweilen schwer, ein Theater von einem Börsengebäude, einem Museum, einem Rathaus oder gar einer Kirche zu unterscheiden. Man forderte, dass sich die äußere Form eines Theaters konsequent an seinem charakteristischen Inneren orientieren solle, also am Zuschauerraum, welcher in der römischen Antike an der Fassade ablesbar war. 1829‒1833 wurde dies mit dem Mainzer Stadttheater von Georg Moller erstmals bei einem freistehenden Stadttheater verwirklicht. Für circa zwei Jahrzehnte wurden dann einige Neubauten in dieser Gestalt errichtet. Allerdings sah man aber bald die Probleme dieser Formgebung, besonders im Hinblick auf die innere Anordnung der Treppen und der möglichst großen Foyerräume.

Preußische Rheinprovinz

Mit dem Aufkommen des Bürgertums wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts der nun stark wachsende Theaterbau eine zunehmend bürgerliche oder städtische Aufgabe; gleichzeitig begannen die Hoftheater, sich dem allgemeinen Publikum zu öffnen.

In diese Zeit der Blüte fällt auch der Theaterbau in der Rheinprovinz, in deren Gebiet sich die Errichtung von Bühnenbauten besonders stark entwickelte. Hier entstanden fast ein Viertel aller deutschen Theater der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch wenn der preußische Staat oft als Kulturstaat betrachtet wird, ist aber festzustellen, dass die meisten der neuen Theaterbauten auf städtisches oder privates Engagement zurückzuführen sind. Für einen weiteren Anschub zur Gründung neuer Theater und damit der Errichtung neuer Gebäude sorgte schließlich die Gewerbefreiheit ab dem Jahr 1869. Der nebenstehende chronologische Überblick zeigt, dass die Mehrzahl der Theaterbauten in der Rheinprovinz zu preußischer Zeit entstanden sind.

Mit der Einführung der Gasbeleuchtung in der Mitte des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die schon vorher bekannte und gefürchtete Brandgefahr der Bühnen. Diese rührte aus der Verwendung des bevorzugten Baumaterials Holz in Verbindung mit offenem Feuer und des hohen Anteils an Leinwand- und Stofffasern in der Luft. Die Gasbeleuchtung ließ durch ihre höheren Temperaturen nicht nur das Holz stärker austrocknen, sondern führte auch dazu, dass die Kostüme der Schauspieler schneller Feuer fangen konnten. Nach den vielen schweren Brandkatastrophen, insbesondere des Ringtheaterbrands von Wien und des Theaterbrands von Nizza (beide im selben Jahr 1881 mit zusammen über 580 Toten), war es der preußische Staat, der als erster eine gesetzliche Regelung einführte, um das Brandrisiko zu minimieren und für mehr und bessere Fluchtwege in den Theatern zu sorgen. Die „Polizei-Verordnung, betreffend die baulichen Anlagen und innere Einrichtung von Theatern, Circusgebäuden und öffentlichen Versammlungsräumen“ von 1889 (der Vorläufer der heutigen Versammlungsstättenverordnung) wurde bald von den anderen deutschen Staaten in ähnlicher Form übernommen und 1909 in eine reichsweit einheitliche Regelung überführt.

Vorgestellt werden in den nachfolgenden Texten das Aachener Stadttheater, das sowohl in seiner ursprünglichen Gestalt als auch in seinem weitreichenden Umbau Einflüsse aus Berlin erfuhr; das Essener Stadttheater, das wie kaum ein anderes die soziale Realität seiner Zeit wiederspiegelte; das prächtige Kölner Opernhaus, das zur Entstehungszeit das größte deutsche Theater war und das Stadttheater in Trier, das auf die Säkularisierung zu französischer Zeit zurückgeht und in den preußischen Jahren kontinuierlich weiter ausgebaut wurde.

 

Einzelthemen

> Das Aachener Stadttheater von Cremer und Schinkel 1822-1825

> Der Umbau des Aachener Stadttheaters durch Heinrich Seeling 1900/01

> Das Kölner Opernhaus von Carl Moritz 1899-1902

> Das Stadttheater in Essen von Heinrich Seeling 1890-1892

> Das Stadttheater in Trier von Wolff und Junk

 

Weiterführende Literatur

Matthes, Isabel (1995): „Der allgemeinen Vereinigung gewidmet“. Öffentlicher Theaterbau in Deutschland zwischen Aufklärung und Vormärz. Tübingen: Niemeyer. (Theatron 16).
Meyer, Jochen (1998): Theaterbautheorien zwischen Kunst und Wissenschaft. Die Diskussion über Theaterbau im deutschsprachigen Raum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Berlin: Gebr. Mann; Zürich: gta. (Studien und Texte zur Architekturtheorie).
Salzig, Sascha M. (2016): Von der bürgerlichen Repräsentation zur Eventkultur. Die Architektur des Mainzer Stadttheaters von Georg Moller im kulturhistorischen Wandel. Lindenberg: Fink.
Zielske, Harald (1971): Deutsche Theaterbauten bis zum Zweiten Weltkrieg. Typologisch-historische Dokumentation einer Baugattung. Berlin: Selbstverlag der Gesellschaft für Theatergeschichte. (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 65.)

Danksagung

Der Autor bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Herrn Prof. Dr. Rudolf Bertig aus Aachen, Frau Dr. Magdalena Palica von der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier, dem Leiter des Stadtarchivs Trier, Herrn Bernhard Simon, und bei der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek.

Zum Autor

Sascha Maurice Salzig studierte Theaterwissenschaft, Philosophie und Komparatistik in Mainz. Schwerpunkt seiner Studien und seiner Vermittlungsarbeit sind der Theaterbau im kulturgeschichtlichen Kontext. Über viele Jahre lang bot er regelmäßig Führungen zu Architektur und Geschichte des Mainzer Staatstheaters an. Zu diesem Gebäude veröffentlichte er schließlich 2016 eine umfangreiche Monografie sowie 2017 ein Heft in der Reihe „Rheinische Kunststätten“. Er engagiert sich im Regionalvorstand Rhein-Main-Nahe des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz und arbeitet als freischaffender Autor und Stadtführer in Brüssel.

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Das Aachener Stadttheater nach dem Umbau durch Heinrich Seeling. Quelle: Architekturmuseum der TU Berlin, TBS 001,14.
Das Kölner Opernhaus am Habsburgerring im Jahr 1904. Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Opernhaus-Habsburgerring.jpg&filetimestamp=20080217111126&#file

Bedeutendste Theaterneubauten zur Zeit der Rheinprovinz, sortiert nach dem Jahr ihrer Eröffnung

1825 Stadttheater Aachen (umgebaut 1900)

1825 Theater Krefeld (abgebrochen 1881)

1829 Theater in der Komödienstraße Köln (abgebrannt 1859 & 1869)

1834 Schauspielhaus Elberfeld (abgebrochen 1886)

1848 Theater am Kölntor Bonn (zerstört 1944)

1872 Stadttheater in der Glockengasse Köln (zerstört 1943)

1874 Stadttheater Barmen (abgebrannt 1875)

1875 Stadttheater Düsseldorf (wiederaufgebaut bis 1956)

1876 Stadttheater Barmen (abgebrannt 1902)

1886 Stadttheater Krefeld (zerstört 1943)

1888 Stadttheater Elberfeld (zerstört 1943)

1892 Stadttheater Essen (wiederaufgebaut bis 1950)

1897 Stadttheater Saarbrücken (zerstört 1944)

1901 Umbau Stadttheater Aachen (wiederaufgebaut bis 1951)

1902 Opernhaus Köln (zerstört 1944)

1902 Stadttheater Barmen (wiederaufgebaut bis 1956)

1905 Schauspielhaus Düsseldorf (zerstört 1943)

1907 Stadttheater Düren (zerstört 1944)

1912 Stadttheater Duisburg (wiederaufgebaut bis 1952)

1938 Gautheater Saarbrücken (wiederaufgebaut bis 1948)

Weiterhin bespielte Altbauten

1747 Kurfürstliches Komödienhaus Düsseldorf (abgebrochen 1879)

1787 Kurfürstliches Komödienhaus Koblenz

1802 Theater in der ehem. Kapuzinerkirche Trier (zerstört 1944)