Der frühe Rheinische Provinziallandtag

Im Rahmen der Bildung von Provinzialständen in der preußischen Monarchie erfolgte am 29. Oktober 1826 die erste Zusammenkunft des Rheinischen Provinziallandtages, der in vier Stände gegliedert war:

1.    Die vormals unmittelbaren Reichsstände (Reichsfürsten, Reichsgrafen etc.)
2.    Die Vertreter der Ritterschaft, d.h. die Besitzer von landtagsfähigen Rittergütern, ohne Unterschied der Geburt
3.    Die Vertreter der Städte
4.    Die Vertreter der Landgemeinden

Während den Mitgliedern des ersten Standes die erbliche Zugehörigkeit vom König verliehen wurde (4, später 5 Familien), entsandten die unteren drei Stände jeweils 25 Vertreter, die aus gesonderten Wahlen hervorgingen. Das aktive und passive Wahlrecht (24./30. Lebensjahr) war unabdingbar an Grundbesitz von einer Mindestgröße aufwärts geknüpft. Da es sich überdies auf Männer einer christlichen Konfession beschränkte, konnten sich in der Rheinprovinz nur etwa 100.000 Wähler beteiligen, was ca. 4,5 % der Bevölkerung entsprach. 
Tagungsort der rheinischen Provinzialstände war Düsseldorf. Sie versammelten sich in der alten kurfürstlichen Kanzlei am Markt und belegten im ehemaligen Statthalterpalais ein Ausweichquartier. Von 1851 bis 1872 tagten sie im Schloss am Burgplatz und schließlich bis 1879 in der Aula der städtischen Realschule an der Klosterstraße. Danach stand ihnen erstmals ein eigenes, äußerst repräsentatives „Ständehaus“ am Schwanenspiegel zur Verfügung. Die Tagungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit alle zwei Jahre (ab 1851 zumeist jährlich) statt und dauerten etwa vier Wochen. Ein vom König bestellter „Landtagsmarschall“ führte den Vorsitz. Im Vergleich zu den konstitutionellen Wünschen des rheinischen Bürgertums waren die parlamentarischen Befugnisse des Gremiums gering. Die Provinzialstände wurden zu Gesetzesvorlagen über Steuern, Personen- und Eigentumsrechte gehört, soweit diese ihre Provinz betrafen, und konnten lediglich in kommunalen Sachen Beschlüsse fassen. 
Gleichwohl entwickelte sich im preußischen Vormärz gerade der Rheinische Provinziallandtag zu einem vitalen politischen Forum. Unter dem Einfluss seiner liberalen Mitglieder wurde das Beratungs- und Petitionsrecht über die bloße Interessenvertretung der Provinz hinaus ausgedehnt. Zunehmend wurden nach 1840 auch ganz zentrale gesellschaftspolitische Fragen aufgegriffen und entsprechende Forderungen artikuliert: nach Verfassung, gesamtstaatlicher Repräsentation und etwa auch nach bürgerlicher Gleichstellung der Juden. Die eigentlich nicht öffentlichen Debattenbeiträge und königlichen Bescheide fanden zumindest sinngemäß Eingang in Zeitungen und anderen Druckwerken und verschafften der liberalen Opposition das Gehör der Provinz und darüber hinaus. 
Mit der preußischen Verfassung 1848/50 traten die 1851 reaktivierten Provinziallandtage in eine neue Phase ihrer Entwicklung. Die preußische Provinzialordnung 1875, die in der Rheinprovinz allerdings erst 1887 eingeführt wurde, hob die ständische Gliederung der Provinziallandtage auf und stattete sie mit umfangreichen Befugnissen und Mitteln der Selbstverwaltung aus. Die Abgeordneten wurden nun von den Stadtverordneten und Kreistagen gewählt.  

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Lithographie: Gustav Mevissen
Gustav Mevissen, Valentin Schertle, Frankfurt a. M. 1848/51, Lithographie © LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Der 1884 geadelte Unternehmer Mevissen (1815-1899) war einer der führenden rheinischen Liberalen, 1846 Mitglied des Rheinischen Provinziallandtags, 1847 im preußischen Vereinigten Landtag, 1848/49 in der Frankfurter Nationalversammlung.