Die Rote Ruhrarmee vor Wesel

Der Aufruf der Reichsregierung zum Generalstreik gegen den rechtsnationalen Kapp-Putsch vom 12. März 1920 zeitigte insbesondere im Ruhrgebiet große Wirkung. Auch nach der Niederschlagung des Putsches blieben hier Hunderttausende Arbeiter im Ausstand, wo unter Führung der radikalen Linken die politische Gewalt von der bewaffneten Arbeiterschaft übernommen wurde. Zur Bekämpfung des Ruhraufstands blieb die Regierung auf Reichswehreinheiten und Freikorps angewiesen, in denen sich wiederum zahlreiche Antirepublikaner und Rechtsextreme befanden. Die unübersichtliche Situation eskalierte zum Bürgerkrieg. Die „Rote Ruhrarmee“, insgesamt etwa 50.000 bewaffnete Arbeiter, behauptete sich zunächst im östlichen Ruhrgebiet gegen vorgedrungene Freikorps-Einheiten und stieß dann aus dem Raum Hamborn-Marxloh nach Norden vor. 

Die Gegend um Dinslaken wurde für einige Tage zum Kampfgebiet. Daran vorbei stießen weitere Einheiten der Roten Ruhrarmee bis über die Lippe vor und besetzten Dorsten und Schermbeck. Der zuständige Divisionskommandeur der Reichswehr zog seine Truppen (Inf. Regimenter 61 und 62, Freikorps Schulz, fünf Kompanien Sicherheitspolizei) daraufhin bis vor das bedrohte Wesel zurück, Dinslaken wurde von der Roten Ruhrarmee besetzt, wo es zur Ermordung eines Zechendirektors kam, zu gewaltsamen Requirierungen und Plünderungen.  

Erste Kampfhandlungen außerhalb Wesels am Nachmittag des 23. März verursachten Panik und Chaos in der Stadt. Bei Regierungstruppen kam es zu Befehlsverweigerungen und Desertionen, ein aus Zivilisten gebildeter Freiwilligenverband löste sich auf, Sprecher der Weseler Arbeiterschaft forderten den Abzug der Regierungstruppen. Ein abendlicher Vorstoß der Roten Armee gegen Zitadelle und Bahnhof konnte abgewiesen werden. Am nächsten Tag stand Wesel unter Artilleriebeschuss; dieser blieb militärisch wirkungslos und verursachte hauptsächlich (geringe) Verluste unter der Zivilbevölkerung. Am 25. März konnte die Reichswehr, nun auch mit Nachschub an Geschützen und Munition versorgt, ihre Stellung am Nordufer der Lippe stabilisieren. Die Gegend verwandelte sich in ein Schlachtfeld-Szenario mit Schützengräben, Drahtverhauen und MG-Nestern.

Obwohl der Roten Armee ständig Verstärkungen aus dem Ruhrgebiet zugeführt wurden, litt sie zunehmend unter Mangel an Munition und Lebensmitteln. Schließlich brach ihr Widerstand zusammen und die revolutionären Einheiten fluteten sich auflösend in die Revierstädte zurück. Dinslaken wurde am 2. April wieder von Regierungstruppen besetzt. Deren gesamte Bewegungen wurden von den Alliierten genau überwacht, damit besetzte und entmilitarisierte Zonen nicht verletzt wurden. 

Die anschließende Besetzung des gesamten Ruhrgebiets durch Regierungstruppen war von exzessiver Gewalt begleitet. Wie schon bei den Kämpfen „keine Gefangenen“ gemacht wurden, kannten nun auch Standgerichte und Durchsuchungskommandos keine Gnade. Unter den oft „auf der Flucht“ erschossenen Opfern befanden sich auch Verwundete und Frauen, etwa freiwillige „Rote“ Krankenschwestern. Die Verluste der Ruhrarbeiterschaft betrugen weit mehr als 1.000 Tote. Die Regierungstruppen zählten 208 Tote und 112 Vermisste, die Sicherheitspolizei 41.

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Werbeplakat für Freikorps Lützow, Garde- Kavallerie- (Schützen) Division, Leo Impekoven, Berlin 1919, Lithographie © LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Das im Januar 1919 gegründete Freikorps Lützow war zunächst ein Verband der Garde-Kavallerie-Schützendivision. Angehörige dieser Division hatten im Januar 1919 die Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Das Freikorps Lützow war auch bei der Bekämpfung des Ruhraufstands im Raum Remscheid eingesetzt und erlitt gegen die Rote Ruhrarmee erhebliche Verluste.