Das Aachener Stadttheater von Cremer und Schinkel 1822-1825

Das Aachener Stadttheater war der früheste und sicher auch bedeutendste Theaterbau der preußischen Rheinprovinz.

Das Stadttheater Aachen. Postkarte von 1899. © Wikimedia Commons

Die ersten Ideen, in der Kaiser- und Badestadt eine feste Spielstätte zu errichten, kamen schon 1714 auf und wurden von der Stadt mit Interesse zur Kenntnis genommen, aber nicht weiterverfolgt. 1748 wurde auf Entscheid des Stadtrates der Umbau der alten Tuchhalle auf dem Katschhof am Münster (Dom) zu einem Theater beschlossen. Hierfür wurde der Stadtarchitekt Johann Joseph Couven beauftragt. Das Theater sollte insbesondere auch den Kurgästen der Stadt dienen. 1751 wurde der Umbau abgeschlossen und das Aachener Stadttheater (Komödienhaus genannt) eröffnet. Es gilt als eines der frühesten bürgerlichen Theaterbauten in Deutschland.

In den weiteren Jahren erwies sich das Komödienhaus für die allmählich wachsenden Bedürfnisse der Kurstadt als unzureichend. Um den abgeebbten Badetourismus wieder anzukurbeln, verfolgten die französischen Behörden Pläne für einen Theaterneubau. 1802, 1806 und 1811 wurden Projekte für verschiedene Bauplätze vorgelegt. Letztlich kamen durch die Ereignisse des Jahres 1814 alle französischen Planungen zum Erliegen.

Nach der Eingliederung Aachens in das Königreich Preußen 1815 wurde die Stadt im folgenden Jahr Sitz einer Bezirksregierung. Im April 1817 wurde der Architekt Johann Peter Cremer (1785‒1863) als „Landbauinspektor“ bei der Bauverwaltung der Aachener Regierung eingestellt. Sofort wurde er mit der Planung eines neuen Schauspielhauses auf dem am Stadtrand gelegenen Grundstück des Gartens des ehemaligen Kapuziner-Klosters beauftragt. Dieses dem Staat gehörende Stück Land war zuvor im Juli 1816 von König Friedrich Wilhelm III. der Stadt für den Bau eines Theaters geschenkt worden. Schon am 7. Juni 1817 legte Cremer, der bereits vorher in Düsseldorf als Mitarbeiter von Adolph von Vagedes an dessen Theaterentwürfen mitgearbeitet und sich mit den Problemen des Theaterbaus eingehend beschäftigt hatte, sein Projekt der Aachener Regierung vor.

Wohl entsprechend dem Wunsch des Auftraggebers, der Stadt Aachen, nach „griechischen Formen und ihrer Construktionsweise“ plante Cremer einen freistehenden streng rechteckigen Bau, der sich nach seinen Angaben am Athena-Tempel in Priene und dem Erechtheion in Athen orientierte. Der schmale Langbau mit sieben Achsen Breite und 17 Achsen Länge sollte von einem Walmdach überdeckt werden, das sich gleichermaßen über Zuschauerraum und Bühne spannt. Für den schmaleren vorgelagerten Portikus mit sechs ionischen Säulen war ein Satteldach und im Fries die Weiheinschrift „MUSAGETAE HELICONADIUMQUE CHORO“ (Dem Musenführer und dem Chor der Helikoniaden, d.h. Apollo und dem Chor der Musen) vorgesehen.

Grundriss des Aachener Stadttheaters mit Darstellung des quadratischen Entwurfsrasters Cremers. Rekonstruktion von Rudolf Bertig.

Eine Besonderheit stellte die Anordnung der Ränge im dreiviertel-runden Theatersaal dar, denn entgegen der aus dem barocken Theaterbau bekannten Übereinanderstellung der Ränge sprangen hier deren Vorderkanten übereinander zurück. Damit näherte sich die Form des Zuschauerraumes der des antiken Theaters an. Erstmals wurde dies 1779 von Claude-Nicolas Ledoux im Theater von Besançon verwirklicht.

Das Projekt kam aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten ins Stocken. Nach Klärung dieser Fragen überarbeitete Cremer 1821 seinen Entwurf. Dieser sah größere Räume im ersten Stock vor, die nun die Spielbank aufnehmen sollten, wodurch „dem Badegast und Fremden in ein und demselben Lokale sich nach Möglichkeit alles vereinigt und darbietet, was er in den Stunden des geselligen Vergnügens in einem Badeort mit Recht erwarten kann und woran es hier bis jetzt allgemein ermangelte“, wie Cremer schrieb. Der Entwurf wurde im März 1821 vom Theaterbaukomitee der Stadt angenommen und an den Stadtrat weitergeleitet, welcher ihn im folgenden Monat billigte, woraufhin er im Mai der Aachener Regierung zur Genehmigung vorgelegt wurde.

Die Regierung wiederum sandte das Projekt am 4. Juli zur Prüfung an die Oberbaudeputation nach Berlin, der als oberste Baubehörde alle bedeutenden Bauvorhaben, die ganz oder teilweise vom preußischen Staat finanziert wurden, vorgelegt werden mussten. Diese wurden dort auch auf ästhetische Gesichtspunkte geprüft, wodurch der preußische Staat seinen Willen zeigte, die staatliche Baukunst zu fördern. In der Oberbaudeputation war seit 1810 der bedeutende Architekt und Geheime Oberbaurat Karl-Friedrich Schinkel (1781‒1841) angestellt, der bis dahin u.a. bereits in Berlin die Neue Wache und das Schauspielhaus errichtet hatte. Er war in der Behörde für Monumente und ästhetische Fragen aller Fachrichtungen zuständig, wodurch er erhebliche Einflussmöglichkeiten in ganz Preußen besaß. Schinkel war bereits 1816 auf Dienstreise in Aachen gewesen und sprach sich damals allerdings gegen einen Neubau zugunsten einer Modernisierung des bestehenden Theaters aus.

Cremers Pläne befand Schinkel aber im Ganzen für recht gut entworfen und lobte besonders die Anordnung der Eingänge, der Vestibüle und der Treppen, ordnete aber einige Änderungen an.

Die wichtigste Veränderung sollte am Dach und an der Vorderfassade vorgenommen werden, indem der vorgelegte schmale Portikus auf die gesamte Breite und Höhe des Gebäudes erweitert und dieser damit, aber auch dank eines durchgehenden Satteldachs, mit ihm vereinigt werden sollte. Hierdurch hat Schinkel dem Bau weitestgehend die Form eines griechischen Tempels gegeben. Auf Schinkel geht auch die Idee der Gestaltung des Giebelfeldes zurück: Ein geflügelter Genius verteilt Kränze an Thalia und Melpomene.

Am 16. November 1822, dem Tag des 25. Regierungsjubiläums des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., erfolgte die Grundsteinlegung des Theaters, zusammen mit der des nahegelegenen (und ebenfalls von Schinkel geplanten) >>Elisenbrunnens. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen etwa drei Monate später. Am 15. Mai 1825 wurde das Theater mit der Oper Jessonda von Spohr eröffnet, eine Woche darauf fand im Rahmen des 8. Niederrheinischen Musikfestes, das wegen der Eröffnung des Theaters nach Aachen vergeben wurde, die deutsche Erstaufführung von Beethovens 9. Symphonie statt. Am 14. September 1825 besichtigte der König das Theater und zeigte sich sehr zufrieden. Auch Schinkel besichtigte 1826 das fertige Gebäude.

Längsschnitt durch das Aachener Stadttheater. Rekonstruktion von Rudolf Bertig.

Den Grundriss seines Theaters plante Cremer auf einem quadratischen Raster. So sind auch die drei großen Funktionsräume (Eingangshalle/Foyer, Zuschauerraum und Bühne) hintereinander in drei exakt gleich großen Quadraten untergebracht. Der Zuschauerraum mit Orchestergraben und drei Rängen fasste 1.124 Sitz- und auch einige Stehplätze, die Ränge stützten sich auf 18 dorische Säulen, der oberste Rang war von 22 Säulen umgeben, die zusammen mit vier kolossalen korinthischen Säulen des Proszeniums die flache als Zeltdach gestaltete Decke trugen.

Der am Rand der Innenstadt errichtete Theaterbau fungierte als Keimzelle für das Entstehen der Aachener Neustadt. Cremer plante zusammen mit dem Theater auch den Theaterplatz sowie die städtebaulichen Vorgaben für angrenzende Straßen. 1825 billigte der König die Weiterführung des Platzes in einer neu anzulegenden geraden Prachtstraße zum nahegelegenen Burtscheid. 1831/32 erarbeitete Cremer einen Bebauungsplan zur Stadterweiterung entlang dieser Theaterstraße. Da sie in Richtung Burtscheid stark anstieg und man von dort kommend nicht den Sockel des unten liegenden Theaters sehen konnte, wurde 1833 die Straße am oberen Ende auf einiger Länge um ca. einen Meter abgetragen. Daraus lässt sich erkennen, welch hohen städtebaulichen Wert man dem Theater beimaß.

1900/01 wurde das Stadttheater maßgeblich umgebaut.

Sascha M. Salzig M.A.

 

Literatur

Bertig, Rudolf (1976): Theaterbauten der Rheinprovinz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aachen: J. A. Meyer. Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 1975.

Cremer, Johann Peter (1829): „Nachrichten vom neuen Schauspielhaus zu Aachen.“ In: Journal für die Baukunst 1. Berlin: Reimer,68-72.

Matthes, Isabel (1995): „Der allgemeinen Vereinigung gewidmet“. Öffentlicher Theaterbau in Deutschland zwischen Aufklärung und Vormärz. Tübingen: Niemeyer. (Theatron 16).

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Vorderfront des Aachener Stadttheaters. Rekonstruktion von Rudolf Bertig.