Karl Freiherr von Ingersleben – erster Oberpräsident der preußischen Rheinprovinz(en)

Der Verein zur wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera

Der Verein zur wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera wurde aus der Not geboren. Im Gegensatz zu den anderen Bezirksregierungsstädten in der preußischen Rheinprovinz stand der Stadtrat von Düsseldorf in Anbetracht der Gefahr eines Choleraausbruchs im Jahr 1830 vor einer leeren Stadtkasse, unzureichenden Spendeneinnahmen, bereits aufs Äußerte ausgereizten Steuerzuschlägen und somit vor scheinbar unlösbaren Problemen. Auch waren staatliche Hilfen nicht zu erwarten und keineswegs vorgesehen oder gar rechtlich verankert. Es handelt sich vielmehr um eine Übergangsphase zwischen traditionellen Vorstellungen stadtbürgerlicher Solidarität und christlicher Nächstenliebe und klar organisierten, rechtlich fixierten Formen der Absicherung innerhalb des sogenannten Wohlfahrtsstaates (Dross; Finzsch).

Die zuständige Sanitätskommission bestand aus Oberbürgermeister Philipp Schöller, Provinziallandtagsabgeordneten Franz Anton Graf von Spee, Kreisphysikus Karl Heinrich Ebermaier und sechs weiteren Stadträten. Sie riefen im Sommer 1832 „zur wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera“ auf. Der Verein richtete sich explizit an alle Bevölkerungsschichten und kann als innovatives Krisenkonzept beurteilt werden. Denn ein geringer, einmaliger Beitrag von einem Taler garantierte jedem Mitglied im Falle seines Todes durch die Cholera eine zehnjährige Grundrente in Höhe von bis zu 120 Talern aus den Dividenden des Vereinsvermögens „für seine oder jede andere von ihm bezeichnete Familie“ (Statuten, Paragraf 2). Die Versicherungsmöglichkeit wurde am 14. August 1832 vom König genehmigt, durch das Oberpräsidium unterstützt und in den Amtsblättern und Zeitungen bekanntgegeben. Ein halbes Jahr später zählte der Verein 16.747 Subskribenten. Die Mehrheit, fast 5.500 Personen, kamen aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite in Köln traten knapp die Hälfte (2.483 Personen), im entlegenen Bezirk Trier nur 1.098 Menschen dem Unternehmen bei. Rund 2.000 Versicherungsnehmerinnen und -nehmer stammten jeweils aus Aachen und Koblenz, gefolgt von Einwohnerinnen und Einwohnern aus den westfälischen Regionen in Arnsberg (1.893), Minden (784) und Münster (704) (LHAKo 403 2345).

 

Bereits ein Jahr später, am 20. Dezember 1833, wurden die „höchsterfreulichen Resultate des menschenfreundlichen Unternehmens“ im Provinziallandtag gewürdigt. Gemessen an diesen Resultaten war die historische Bedeutung des Versicherungsvereins eher gering, weil die Cholera in erheblich geringerem Umfang auftrat als es die Vereinsgründer erwartet hatten. Als selbstständige Organisationsform und vorausschauendes Krisenkonzept stellte er allerdings den Beginn einer Erfolgsgeschichte dar, indem er das neuar­tige Versicherungswesen erstmals im Gesundheitswesen für die gesamte Bevölkerung erprobte. Die Tätigkeiten „wurden umso mehr mit dem lebhaften Danke anerkannt als die höchst achtbaren Gründer jenes wohltätigen Instituts“ mehrheitlich im Düsseldorfer Ständehaus zugegen waren und „den durch ihre Bemühungen gebildeten Fonds […] den Ständen zu einer wohltätigen Bestimmung […] überlassen“ hatten (LHAKo 403A 33 Bd.2, Sitzungsprotokoll vom 20.12.2811).

Gemäß den Statuten des Vereins wurde dieses Kapital in Höhe von 18.017 Talern anschließend zehn Jahre lang bei der Regierungshauptkasse angelegt bevor es am 1. Juli 1843 per Mehrheitsentscheid der Landtagsabgeordneten an jene Stadt überwiesen wurde, die am meisten unter der Cholera gelitten hatte: an die 1838 neugegründete Taubstummenanstalt in Aachen. Am 16. Juni 1864, zwei Jahre vor dem erneuten Ausbruch der Cholera, bedankte sich die dortige Direktion im Namen der „37 Zöglinge“ für die Unterstützung (LHAKo 403 2345).

 

Quellen:

Landeshauptarchiv Koblenz (LHAKo) Bestand 403 Nr. 2345 Verein zu einer wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera in der Rheinprovinz (1832–1864), Bestand 403 A Nr. 33 Sitzungsprotokolle der Rheinischen Provinziallandtage 4. Landtag 2. Bde. 1833.

Stadtarchiv Trier (StATr) Tb 11-128 Verein zur wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera.

Statuten des Vereins zur wechselseitigen Versicherung gegen die Cholera. O. J. (1832). URL: https://www.dilibri.de/rlb/content/titleinfo/1459404 (Aufruf am 20.8.2022).

Literatur:

Dross, Fritz: Krankenhaus und lokale Politik 1770–1850: das Beispiel Düsseldorf. Essen 2004.

Finzsch, Norbert: Obrigkeit und Unterschichten. Zur Geschichte der rheinischen Unterschichten gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1990.

(Katharina Thielen, 5.9.2022)

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