Das Stadttheater in Trier von Wolff und Junk

1775 wurde in Trier mit dem Bau des Krämeramtshauses ein erster Ball- und Bühnensaal errichtet, welcher bis zur französischen Besatzung im Jahr 1794 der Theaterspielort der Stadt war. 1798 errichtete der Gastwirt Theodor Schaack aufgrund von Beschwerden über Ruhestörung durch Veranstaltungen in seiner Gastwirtschaft in der Neugasse ein Privattheater. Dort fanden bis 1804 Auftritte französischer und deutscher Theatergruppen statt.

Am 26. August 1802 erhielt Schaack von der Stadtverwaltung die Genehmigung, in der 1761 errichteten und kurz zuvor säkularisierten Kirche des aufgehobenen Kapuzinerklosters ein Theater einzurichten. Die Klosterkirche befand sich an der Fahrstraße, Ecke Viehmarktplatz, welcher zu dieser Zeit auf dem Gelände des ehemaligen Klostergartens entstand. Das Gebäude wurde dem Gastwirt von der französischen Domänendirektion verpachtet.

Nachdem ihm 1804 der Vertrag wegen Nichtzahlung der Pacht gekündigt wurde und die Stadt Interesse an einem öffentlichen Theater angemeldet hatte, übernahm der Gemeinderat im August 1804 das Haus in städtische Verwaltung. Die Überlassung des Gebäudes wurde durch Frankreichs Ersten Konsul Napoléon Bonaparte per Dekret vom 6. November 1804 nach seinem Besuch in der Stadt bestätigt.

Bei einer Versteigerung des Kirchengrundstücks durch den Domänendirektor im Jahr 1810 wurde das Haus vom Kaufmann Adalbert Gilquin im Auftrag des Ratsmitglieds Christoph Philipp Nell erworben und von diesem 1811 der Stadt Trier mit der Bedingung des Ausbaus zu einem städtischen Theater geschenkt.

Stadttheater Trier, Ansicht vom Viehmarkt, um 1900. Quelle: Stadtarchiv Trier.

Zwischen 1814 und 1815 wurde das Gebäude unter der Bauherrschaft der „Theater-Kommission der Stadt Trier“ durch den Trierer Baumeister Johann Georg Wolff (1789‒1861), einem Schüler Schinkels, zu einem vollwertigen Theater mit 600 Plätzen umgebaut. Die Eröffnung des nur notdürftig fertiggestellten Hauses fand am 9. Februar 1815 mit Kotzebues Schauspiel Die Verwandten statt.

Im selben Jahr ging das Theater endgültig in das Eigentum der Stadt über. In Ratsprotokollen von 1815 findet sich ein Kaufvertrag zwischen der Kommune und Gilquin, in dem sich die Stadt verpflichtete, das Schauspielhaus nach den vorhandenen Plänen weiter auszubauen. Die Diskrepanz zwischen der Ersteigerung im Jahr 1810 durch Gilquin (im Auftrag von Nell samt anschließender Schenkung von diesem an die Stadt) und dem Kaufvertrag von 1815 zwischen Gilquin und der Stadt ist dadurch zu erklären, dass 1810 die Stadt dem Domänendirektor noch Geld schuldete und dieses wohl nicht bezahlen wollte. Daher schickte sie Nell als Strohmann vor, welcher als Ratsmitglied Bedenken hatte, in die Haftung genommen zu werden. So musste Gilquin als Käufer auftreten, welcher nun 1815 durch den „Kaufvertrag“ entsprechend entschädigt wurde. Offenbar hatte man 1811 schon damit gerechnet, dass die Tage der Franzosen in Trier gezählt seien. Nun war aber Gilquin und nicht Nell der juristische Eigentümer und das „Geschenk“ des Ratsmitgliedes Nell stand also nur auf dem Papier. Daher wurde die Sache rechtlich in Ordnung gebracht und Gilquin erhielt sein vermutlich vorgestrecktes Geld von der Stadt zurück. Man hatte die Franzosen überlistet.

Anfang 1816 bildete sich die (Aktien-)„Gesellschaft für die Verwaltung des Theaters zu Trier“, der die Stadt das Theater unentgeltlich zur Verfügung stellte. Anfang 1817 beschloss die Gesellschaft, die Eintrittspreise zu senken, um durch mehr Zuschauer auch für mehr Einnahmen zu sorgen. Dies scheint tatsächlich zu mehr Besuchern geführt zu haben, denn im selben Jahr wurde die „Droschkenordnung“, die eine Einbahnstraßenregelung rund um das Theater vorsah, erlassen – die erste städtische Verkehrsordnung in der preußischen Zeit. Am 22. Mai 1817 richtete sich die Stadt dennoch mit einem Gesuch um finanzielle Unterstützung des „Nationaltheaters“ (wie bis 1820 das Stadttheater gelegentlich genannt wurde) an den König Friedrich Wilhelm III., welches aber abgelehnt wurde. Allerdings wurde ein weiteres Gesuch an den König um Überlassung von 108 Baumstämmen aus den Staatswäldern zum Ausbau des Theaters anlässlich dessen Aufenthaltes in Trier im August desselben Jahres entsprochen. So gingen die Arbeiten in den Jahren 1817/18 weiter. 1822 beschrieb Theodor von Haupt das Theater: „Die Hauptfassade in der Fahrgasse verrät noch zu auffallend die frühere Bestimmung des Gebäudes; die Seitenfassade nach dem Viehmarkt zu nimmt sich besser aus, sie ist mit den Attributen der Schauspielkunst und der einfachen Inschrift MUSIS verziert. Das Innere ist angemessen freundlich und geräumig. Zwei Reihen Logen ziehen übereinander hin. [...] Die Bühne ist hinreichend tief und überhaupt zweckmäßig angelegt, hat auch mehrere recht brav gemalte Dekorationen aufzuweisen.“ Nach dem finanziellen Zusammenbruch der Theater-Gesellschaft 1819 wurde das Haus sporadisch an durchziehende Theatertruppen vermietet, ansonsten fanden hier Bälle statt. Ab 1829 wurde das Theater an feste Schauspieltruppen verpachtet. In der ehemaligen Kapelle des Klosters wurde 1832 eine Bewirtschaftung eingerichtet, da sich mittlerweile das Bedürfnis nach einem Restaurationsbetrieb ergeben hatte. Eine erste Renovierung und Neuausschmückung des Theaters erfolgte 1834, 1845 wurde die Gasbeleuchtung eingeführt, 1855/56 war das Haus für Reparaturen geschlossen.

Grundriss des Stadttheaters Trier, nach 1907. Quelle: Stadtarchiv Trier.
Ansicht zur Fahrstraße. Plan zur Renovierung der Fassade des Stadttheaters Trier, 1904. Quelle: Stadtarchiv Trier.

Trotz dieser Modernisierungen wurde schon 1863 deutlich, dass das Theater aufgrund baulicher Mängel nicht weiter bespielt werden konnte und von Grund auf erneuert werden musste. Hierzu gründeten Trierer Bürger eine Theaterbaugesellschaft, die in den Jahren 1864/65 das Haus großzügig umbauen und modernisieren ließ. Die Arbeiten wurden nach Plänen des gebürtigen Trierer Architekten Karl Philipp Junk (1837‒1904) durchgeführt und umfassten u.a. eine Vergrößerung des Zuschauerraums und der Bühne. Die Wiedereröffnung fand am 17. September 1865 mit Schillers Die Räuber statt. In den weiteren Jahren wurden am Theater, soweit es die Finanzlage der Stadt zuließ, sukzessive Verbesserungen vorgenommen. Zwischen 1882 und 1900 kam es zu einem Tauziehen zwischen der der Kommune und der Bezirksregierung um den Einbau eines Eisernen Vorhangs, denn die Stadt wollte lange Zeit nur einen kostengünstigeren Asbestvorhang bezahlen. 1903 wurde die Beleuchtung im Haus auf elektrisches Licht umgestellt.

Das Äußere des nach nur zwei Seiten freistehenden klassizistischen und mit einer vasengeschmückten Balustrade abgeschlossenen Baus ließ nicht erahnen, dass es sich um ein Theater handelte. Die Langseite zur Fahrstraße bildete die Hauptfassade, hinter der sich links der Zuschauerraum und rechts die Bühne befand. Ganz links befand sich in einem eigenen Gebäudeteil, dessen äußere Gestaltung sich deutlich vom Theater unterschied, der Zuschauereingang und im ersten Stock das Foyer. Hinter der repräsentativen Fassade zum Viehmarktplatz lag die Bühne. Der dortige kleine Vorbau konnte als Zuschauereingang missverstanden werden, tatsächlich befand sich in ihm aber die Hinterbühne.

Zuschauerraum des Stadttheaters Trier, nach 1903. Quelle: Thoma 1964, 182.

Die letzte Vorstellung fand am 16. Juli 1944 statt. Aufgeführt wurde an diesem Tag Der Rosenkavalier von Richard Strauss. Danach wurde am 1. September in ganz Deutschland zwecks Generalmobilisierung die Schließung aller Theater angeordnet. Am 23. Dezember 1944 wurde das Gebäude durch einen Fliegerangriff zerstört. An seiner Stelle stehen heute Wohn- und Geschäftshäuser. Die nach dem Krieg neu durch das ehemalige Klostergelände gezogene Straße „Am alten Theater“ erinnert an die wechselvolle Geschichte des Ortes.

 

Sascha M. Salzig M.A.

 

Literatur

Keuffer, Max (1901): „Zur Geschichte des Theaters in Trier“. In: Trierisches Archiv, Ergänzungsheft 1. Trier: Lintz, 93-112.

Roßmann, W. (1925) „Das Trierer Stadttheater“. In: Deutschlands Städtebau. Berlin-Halensee: Dari, Deutscher Architektur- u. Industrie-Verlag. 2. Aufl., 91.

Thoma, Hubert (1964): Das Theater der Stadt Trier 1802-1944. Trier: Stadtverwaltung.

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Stadttheater Trier, Ansicht von der Fahrstraße, vermutl. 1904. Quelle: Stadtarchiv Trier.