Der Deutsche Flottenverein

Im Zeitalter des Imperialismus übernahmen nationale Fördervereinigungen für den mit hohen Kosten verbundenen Flottenausbau sowohl in Europa wie auch in Übersee wichtige Funktionen. So warben etwa die Naval Leagues in Großbritannien und den USA, die Maritime Francaise in Frankreich, die Lega Navale Italiana in Italien mit verschiedensten Agitationsmitteln für den Flottenbau als nationaler Angelegenheit.

Banknote: 100 Reichsmark
Banknote 100 Reichsmark – Rückseite, Reichsbank 1910 © Leihgabe: Privatbesitz, LVR-Niederrheinmuseum Wesel

„Der blaue Hunderter“ war ein „Fest“ nationaler Symbolik. Großkampfschiffe in Kiellinie demonstrierten die Bedeutung der Flotte für das nationale Selbstverständnis.

Auch die vom Staatssekretär des Reichsmarineamtes Alfred von Tirpitz 1898 initiierte Gründung der Deutschen Flottenvereins verfolgte das Ziel, in der Bevölkerung für den Aufbau einer starken Schlachtflotte zu werben. Angesichts der im Reichstag zu verabschiedenden Flottengesetze mit ihrem immer größer werdenden Finanzbedarf (bis zu 25% der deutschen Rüstungsausgaben vor dem Ersten Weltkrieg) schien es ratsam, eine öffentlich wirksame Lobby als Stütze der deutschen Flottenpolitik aufzubauen. Der Verein stand unter dem Protektorat Prinz Heinrichs von Preußen.

Die Gründung des Vereins kam unter maßgeblicher Beteiligung rheinischer und westfälischer Industrieller zustande. Eine Versammlung zur Gründung eines Provinzialkomitees des Flottenvereins, zu der der rheinische Oberpräsident geladen hatte, umfasste unter 97 Persönlichkeiten allein 35 Industrielle. Eingaben der Handelskammern des Ruhrgebiets wie die gesamte industriefreundliche Presse unterstützten die Politik des Vereins, während das beamtete Bildungsbürgertum die Agitationskader stellte.

Verwaltungsbeamte hielten sich mit Beitritten eher zurück, auch wenn der Flottenverein enge Beziehungen zu übergeordneten staatlichen Behörden unterhielt. So umfasste der Verein zahlreiche Provinzial- und Landesausschüsse, die meist von Regierungspräsidenten geleitet wurden. Sie bildeten die übergeordnete Instanz für ein reichsweit ausgespanntes Netz von Ortsausschüssen (1903: mehr als 1570).

Die Hauptgruppe der Agitatoren stellte die Gymnasiallehrerschaft, welche die neue weltpolitische Rolle Deutschlands, gestützt auf eine imperiale Kolonial- und Flottenpolitik, wärmstens begrüßte. Die auch von Industrie und Bildungsbürgertum der Rheinprovinz mitgetragene Flotteneuphorie lies den Verein zur mitgliederstärksten nationalen Vereinigung des Kaiserreiches heranwachsen. 1903 zählte der Flottenverein rund 630.000 Mitglieder, am Vorabend des Ersten Weltkrieges über 1,1 Millionen Mitglieder, darunter eine Vielzahl korporativer Vereinsmitgliedschaften. Durch diese Netzwerkstruktur erstreckte sich die Faszination einer durch die Kaiserliche Marine scheinbar garantierten Welt- und Kolonialpolitik auf breiteste Kreise. Unterstützend wirkte hier eine spezielle Symbolpolitik, die von der Kinder- und Jugendmode des Matrosenanzugs bis zu Sammelpostkarten mit Marinemotiven reichte.

1919 erhielt der Deutsche Flottenverein den Namen „Deutscher Seeverein“ und wurde dessen Vereinsorgan „Die Flotte“ in „Die See“ umbenannt. 1934 erfolgte die Überführung in den „Reichsbund Deutscher Seegeltung“.

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Kalenderblatt des Deutschen Flottenvereins
Kalender des Deutschen Flottenvereins (Berlin 1913), kolorierter Druck © LVR-Niederrheinmuseum Wesel