Die Revolution von 1848/49 im Rheinland

Revolutionen in Europa und Deutschland

Revolutionen in Europa und Deutschland

Die revolutionären Ereignisse in Europa nahmen von Paris ihren Ausgang, wo bereits Ende Februar 1848 erneut die Republik ausgerufen wurde.  Anfang März erfasste die Revolution auch Österreich und die übrigen Staaten des Deutschen Bundes sowie Italien, die Schweiz, in schwächerer Form auch Belgien und die Niederlande.

In den Kampf um soziale Verbesserungen und politische Mitsprache mischten sich, je nach der Ausgangslage in den einzelnen Ländern, auch überkommene Nationalitätenkonflikte, nationale Autonomiebestrebungen, regionale Konfliktlagen sowie – etwa in Deutschland und Italien – das Ringen um die nationale Einheit. Diese komplexe Gemengelage präge auch die Geschichte der Revolution im Rheinland.

Revolutionen 1848/49

Vor dem Hintergrund einer schweren innenpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise hatte der Ausbruch der Februarrevolution in Paris 1848 mit der Errichtung der Republik ab Anfang März 1848 Signalwirkung auch auf die Deutschen Staaten und eben auch auf Preußen.

„Revolution“ bedeutete auch in den Rheinlanden vor allem in der Anfangsphase eine Vielzahl örtlich und politisch zersplitterter Aktionen, hinter denen kein einheitlicher Wille stand, und die insgesamt eingangs nur von einer Minderheit der Bevölkerung getragen wurden. In seinem chronologischen Dreiphasenmodell unterschied der Historiker Jürgen Herres für den rheinischen Raum eine „euphorische“ oder „aktive“ Phase vom März bis zum Spätsommer 1848 von einer sich anschließenden „defensiven“ Phase (Herbst 1848 bis März 1849), der sich eine „verzweifelte“ Phase anschloss (April bis Juni 1849). So konnte die preußische Regierung ihren gegenrevolutionären Kurs – flankiert durch juristische und militärische Unterdrückungsmaßnahmen – letztlich durchsetzen. Mit der brutalen Niederschlagung des badischen Aufstandes 1849 durch preußische Truppen war die Revolution faktisch beendet. Preußen bestand als monarchischer Obrigkeitsstaat weiter fort, der aber nun auch als Verfassungsstaat etabliert war.

Revolution in der Rheinprovinz

Revolution in der Rheinprovinz

Der Ablauf der Revolution am Rhein soll hier nicht in chronologischer Form präsentiert werden (vgl. Brophy, Punkt 6.2.) – vielmehr sollen einige wesentliche Aspekte herausgearbeitet werden, die für das Thema bedeutend sind.

In Köln vollzog sich am 3. März 1848 in mehreren Veranstaltungen ein dichtes Ensemble von Zusammenkünften, das zeigte, dass sich im Vormärz schon intensive Gruppenbildungsprozesse etabliert hatten. Die in Köln formulierten und als Flugblatt kommunizierten „Forderungen des Volkes“ gingen teilweise über die in vielen Gebieten verkündeten „Märzforderungen“ hinaus, insofern hier auch schon Forderungen nach „Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Bedürfnisse für alle“ und nach „Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk“ erhoben wurden, wobei diese Forderungen nicht nur den Gemeindevertretung im Rathaus übermittelt wurden, sondern von einer Demonstration von Handwerkern und Arbeitern vor dem Rathaus artikuliert wurden – ein bis dahin einzigartiger Vorgang, der die vollständig veränderte Situation kurzfristig kennzeichnete.

 

Als Ende März 1848 die rheinischen Liberalen Camphausen und Hansemann zur Führung der neugebildeten preußischen Regierung berufen wurden, schien die Rheinprovinz kurzfristig das Übergewicht über die ostelbischen Kernräume der Monarchie erlangt zu haben. Sahen die Liberalen ihre politischen Ziele damit fast schon erreicht, wurde die Rheinprovinz daneben auch zum Zentrum der demokratischen und sozialrevolutionären Agitation in Preußen. Als weiterer politischer Faktor trat erstmals in größerem Umfang die katholische Bewegung hervor, welche die kirchliche Unabhängigkeit vom Staat anstrebte.

Im Lauf der revolutionären Ereignisse wurde Köln immer mehr zum eindeutigen regionalen Kommunikationszentrum (Herres) - was sich exemplarisch an den wichtigsten politischen Kongressen zeigte: die rheinischen Städtetage (März 1848, Mai 1849), die Kongresse der demokratischen Vereine (August und November 1848, Mai 1849) und der katholischen Zusammenschlüsse (April 1849) wurden in der Domstadt organisiert. Selbst die liberalen Vereine, die 1848 in politisch eher ruhigen Städten tagten, trafen sich im Mai 1849 im Köln gegenüberliegenden Deutz.

Mit dem auch nationale Dimensionen ansprechenden „Dombaufest“ Mitte August 1848 in Köln erreichte die Bedeutung Kölns sicher einen Höhepunkt: durch die gleichzeitige Anwesenheit des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und des von Frankfurter Parlament eingesetzten Reichsverweser Erzherzog Johann bot die Veranstaltung anlässlich der 600. Grundsteinlegung des Kölner Domes das symbolische Zusammentreffen der beiden Repräsentanten an einem Ort, ohne dass es zu einem Eklat kam.

 

Auch in Hinsicht auf die Presse als revolutionärem Faktor war Köln zentral. Nicht nur dass hier die liberal ausgerichtete, im ganzen Rheinland und darüber hinaus als Leitmedium rezipierte „Kölnische Zeitung“ erschien: nach dem Zuzug von Karl Marx und Friedrich Engels nach Köln entstand hier seit Juni 1848 mit der „Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie“ ein radikal-demokratisch aufgestelltes Presseorgan, das über die Entwicklung der Revolution im Rheinland, in Deutschland und in Europa intensiv berichtete und diese mit Kommentaren kritisch begleitete. Dass mit der „Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln“ schon seit April 1848 eine ganz neue Stimme hinzutrat, zeigt exemplarisch die Bandbreite der publizistischen Stimmen im revolutionären Köln. Überhaupt war die Presse ein Symbol für die neuen Kommunikationsmöglichkeiten – in 72 rheinischen Städten erschienen zwischen 1848 und 1850 über 200 Zeitungen (davon 70 mit dem Gründungsjahr 1848!).

 

Aus der von je her unbequemen wurde 1848/49 eine unruhige Provinz – ihre Loslösung von Preußen fand aber zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit.  Köln, Düsseldorf und auch Elberfeld bildeten lokale Zentren. Vornehmlich im September und November 1848 und dann zuletzt im Mai 1849 erfolgten verschiedene Zusammenstöße mit preußischem Militär. Die Regierung konnte ihren gegenrevolutionären Kurs – auch aufgrund der starken Präsenz preußischer Truppen in den rheinischen Städten – letztlich durchsetzen, ohne dass es zu einem breit aufgestellten regionalen Aufstand wie in der Pfalz und in Baden kam. Nicht vergessen werden sollten aber die Aufstände zur Verteidigung der parlamentarisch beschlossenen Reichsverfassung, die es im Mai 1849 in rheinischen und westfälischen Städten gab. In Elberfeld (heute Wuppertal) kam es vom 7. bis zum 17. Mai 1849 zum „Elberfelder Aufstand“, der deutschlandweit zu den bedeutendsten „Widerstandshandlungen zur Verteidigung der liberal-demokratischen Reichsverfassung“ (Boch) zählte. In Iserlohn etwa kam es bei der Niederschlagung eines Aufstandes durch preußische Truppen zu 43 Opfern in der Zivilbevölkerung, in Düsseldorf waren 16 Menschenleben zu beklagen.

Gesamtstaatliche Kontexte der Revolution in Preußen

Nach einem Zusammenstoß zwischen Militär und Demonstranten vor dem Stadtschloss kam es am 18./19. März 1848 zu blutigen Straßenkämpfen in der Innenstadt. Durch Zugeständnisse an liberale Forderungen, ein Eingehen auf deutsche Einigungsbestrebungen und Zurückziehung des Militärs versuchte König Friedrich Wilhelm IV. – der auch den zivilen Opfern der Kämpfe (Märzgefallene) seine Reverenz erwies – die revolutionäre Dynamik einzudämmen.

Während die am 1. Mai gewählte preußische Nationalversammlung verschiedene Verfassungsentwürfe diskutierte und das am 29. März berufene Ministerium Camphausen/Hansemann im Sinne einer konstitutionell verfassten Monarchie zu vermitteln suchte, zeitigten die Ereignisse bis dahin nicht gekannte Formen politischer Öffentlichkeit. Obgleich im Sommer und Herbst eine partielle Radikalisierung eintrat, erhielten die gegenrevolutionären Kräfte genügend Zeit, sich zu sammeln.

Die Berufung eines konservativen Kabinetts, die Rückführung regulärer Truppen nach Berlin, die Auflösung der preußischen Nationalversammlung am 5. Dezember 1848 und schließlich die Oktroyierung einer Verfassung durch den König markierten Stationen einer allmählichen Beendigung der Revolution in Preußen unter konservativen, zum Teil reaktionären Vorzeichen.

Nachdem Friedrich Wilhelm IV. die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserwürde definitiv zurückgewiesen hatte, andererseits die gemäßigt-liberale Opposition ihre Forderungen zum großen Teil erfüllt sah, bestanden in Preußen die Strukturen des monarchischen Obrigkeitsstaates weiter fort, der aber nun als Verfassungsstaat eine eigene parlamentarische Geschichte begann.

Vorläufiges Fazit

Eine wirkliche Wasserscheide stellte die Revolution von 1848/49 auch in der Geschichte des Rheinlandes dar. Nach den Forschungsergebnissen besonders der letzten Jahrzehnte (vor allem im Erinnerungsjahr 1998 an die Revolution vor 150 Jahren) sind wir über den Prozess der umfassenden Politisierung im Verlauf der revolutionären Phasen für die Rheinprovinz recht genau informiert – wobei besonders hervorgehoben werden muss, dass sich dieser Prozess nicht nur auf die größeren Städte bezog, sondern ebenso den bisher in der Forschung eher vernachlässigten ländlichen Raum umfasste. Gerade für das hier besonders relevante Verhältnis zwischen Preußen und dem Rheinland sind die Revolutionsmonate von besonderer Bedeutung, denn hier verdichten sich all die Konflikte und Wechselwirkungen zwischen Gesamtstaat und Provinz noch einmal erheblich. Auch wenn diese Revolution im konkret-politischen Sinne im nationalen Maßstab sicher als gescheitert angesehen werden muss, wird man doch festhalten müssen, dass wesentliche in den Revolutionsmonaten vollzogenen Veränderungen der Gesellschaft nicht mehr revidierbar waren. Das galt auch und gerade für die Rheinlande: die umfassende Basispolitisierung praktisch der gesamten Gesellschaft mit einem erstaunlichen Politisierungsgrad als Erfahrungsschatz einer ganzen Generation blieb an Rhein und Mosel auch in der nachrevolutionären Phase in Preußen mit stark restaurativer Politik erhalten.

(Georg Mölich, 18.4.2023)

Literatur:

Rudolf Boch: Das Bergische Land im 19. Jahrhundert (1814-1914), in: Stefan Gorißen / Horst Sassin / Kurt Wesoly (Hg.): Geschichte des Bergischen Landes. Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2016, S. 171-267, zur Revolution S. 220-228.

Brophy, James M., 1815 bis 1848 - Vom Wiener Kongress zur Revolution, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Epochen/1815-bis-1848---vom-wiener-kongress-zur-revolution-/DE-2086/lido/57ab241e7d1687.63686537 (abgerufen am 22.04.2023).

Ottfried Dascher / Everhard Kleinertz (Hg.): Petitionen und Barrikaden. Rheinische Revolutionen 1848/49, Münster 1998.

Elisabeth Dühr (Hg.): „Der schlimmste Punkt in der Provinz“. Demokratische Revolution 1848/49 in Trier und Umgebung, Trier 1998.

Jürgen Herres: 1848/49. Revolution in Köln, Köln 1998.

Jürgen Herres / Bärbel Holtz: Rheinland und Westfalen als preußische Provinzen (1814-1888), in: Georg Mölich / Veit Veltzke / Bernd Walter (Hg.): Rheinland, Westfalen und Preußen. Eine Beziehungsgeschichte, Zweite überarbeitete und erweiterte Auflage, Münster 2023, S. 119-214, zur Revolution S. 161-179.

Stephan Lennartz / Georg Mölich (Hg.): Revolution im Rheinland. Veränderungen der politischen Kultur 1848/49, Bielefeld 1998, darin zentral Jürgen Herres: Das preußische Rheinland in der Revolution von 1848/49, S. 13-36.

Guido Müller / Jürgen Herres (Hg.): Aachen, die westlichen Rheinlande und die Revolution 1848/49, Aachen 2000.

Dieter Niemann: Die Revolution von 1848/49 in Düsseldorf. Geburtsstunde politischer Parteien und Bürgerinitiativen, Düsseldorf 1993.

 

Sucheingabefeld

Die Rheinprovinz (in rot) im Gesamtbild des preußischen Staatsgebietes (um 1900).

Youtube Videos

Preußen im Rheinland

Preußen im Rheinland

Eine Einführung in das Portal "Preußen im Rheinland"

Aktuelles

Aktuelles

Foto: Musikkapelle bei Karnevalsumzug
Aktuelles mehr

Wir über uns

Wir über uns

Königliche Adresse
Idee des Wissensportals mehr

Netzwerk Preussen in Westfalen

Netzwerk Preussen in Westfalen

Netzwerk
Preußen in Westfalen – Westfalen in Preußen? mehr

Publikationen

Publikationen

Foto: Bücherstapel
Preußen und Rheinland mehr