Eine Krankenschwester im Ersten Weltkrieg

Zivilpersonal der freiwilligen Krankenpflege wurde auch bereits von den im Frieden erstellten Mobilisierungsplänen erfasst. Lina Nickel, 1875 im Siegerland geboren, trat 1895 in die von Theodor Fliedner in Kaiserswerth (1836) begründete evangelische Schwesterngemeinschaft der Diakonissen ein, wurde als Krankenschwester ausgebildet und war bis 1914 als solche tätig. Sie gehörte zu den ca. 5.000 Krankenschwestern, die sofort bei Kriegsbeginn eingezogen wurden. Sie führte ein Tagebuch, dessen Einträge vom 10. August bis zum 31. Oktober 1914 vorliegen. Ihr erster Arbeitstag mit Verwundeten in einem Feldlazarett in Charleroi (Belgien) war der 31. August.

Auszüge von Notizen zu diesem Tag:

Schwester M. Geldmacher und ich und 2 Hannoveraner Schwestern mussten uns in einem Lazarett bei einem Stabsarzt melden. Als wir hinkamen, waren dort alle sehr erfreut. Der Stabsarzt und 2 andere Ärzte waren schon in voller Tätigkeit, es war ein großes Lazarett von 100–200 verwundeten Soldaten, Deutsche und Franzosen, es gab dort viel zu tun, weil auch niemand zum Kochen dort war. Aber das wollten wir gern tun, wenn wir nur ordentlich was gehabt hätten zum Kochen. Als ich einberufen wurde, um mit ins Feld zu ziehen, hab ich mir wohl gedacht, dass ich viel Elend und Not sehen würde, aber dass ich einem Kranken noch nicht einmal ein Stück trocken Brot reichen konnte, weil keines vorhanden ist, das hatte ich mir vorher doch nicht klar gemacht. […]

Es ist doch etwas Schönes, unsere Arbeit, aber auch etwas ungemein Schweres. Es war gut, dass wir keine Minute mehr Zeit hatten, ich hätte sonst immer weinen können. Als ich aber des Abends in unser Quartier kam, hab ich mich erstmal satt geweint über die Eindrücke des ersten, arbeitsreichen Tages, aber ich war auch voll des Dankes, helfen zu dürfen an diesem schrecklich großen Elend. […]

Und wie dankbar die armen Soldaten sind, wieder von deutschen Händen gepflegt zu werden, immer und immer wieder hört man: ‚Schwester, was ist das gut, dass Sie gekommen sind‘. Das gibt immer wieder neuen Mut und neue Kraft, mehr zu helfen. …“

Die Diakonisse Lina Nickel diente fortan hinter der Westfront in Belgien und Nordfrankreich: bei Verwundetensammelstellen, in Feld- und Etappenlazaretten sowie in Lazarettzügen. Ihre Besoldung betrug ca. 30 RM pro Monat. Im August 1917 stellte sie einen Antrag auf Ablösung, da ihre Kraft zermürbt sei. Die Ablösung wurde bewilligt, doch konnte die bereits an einem Nierenleiden schwer Erkrankte nicht mehr in die Heimat zurückkehren. Lina Nickel starb am 8. Dezember 1917 im Schwestern-Krankenhaus Le Cateau – Cambrésis (bei Cambrai, Nordfrankreich) und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

Der Sanitätsdienst des Heeres wurde im Ersten Weltkrieg von der zivilen „freiwilligen Krankenpflege“ unterstützt, die dem Chef des Feldsanitätswesens unterstand. Unter dem Zentralkomitee des Roten Kreuzes waren die Vereinigungen zusammengefasst, aus denen sich das zivile Pflegepersonal rekrutierte: die Ritterorden (Malteser, Johanniter, Georgsritter), die Samariter, die katholischen Pflegeorden, die evangelische Diakonie und die jüdischen Krankenpflegevereine. Im Verlauf des Krieges stiegen die Mitgliederzahlen der freiwilligen Krankenpflege auf ca. 213.000 Frauen und Männer, von denen ein gutes Drittel in relativer Frontnähe tätig waren: ca. 47.000 Männer als Pfleger, Krankenträger und -fahrer sowie mindestens 23.000 Frauen als Krankenschwestern.

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Foto: Diakonisse Lina Nickel
Die Diakonisse Lina Nickel, rechts im Bild, Foto 1914, Vergrößerte Reproduktion © LVR-Niederrheinmuseum Wesel