Medien und Politisierung

In den letzten Jahren vor der Revolution verfügte die Rheinprovinz trotz staatlicher Pressezensur bereits über eine vielfältige Medienlandschaft. Insgesamt wurden ca. 900 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften in der Provinz bezogen, darunter fast 200 ausländische Blätter, 91 davon allein aus Frankreich.

Man las seine Zeitungen gern in „Kasinos“, wie die nur für Mitglieder einer eingetragenen Vereinigung zugänglichen Gesellschaftsräume genannt wurden. Oder man gehörte stattdessen, oft auch gleichzeitig, einer angemeldeten Lesegesellschaft an, wie es sie praktisch in jeder Stadt gab. Derartige Zirkel stellten preiswert eine relativ große Anzahl abonnierter Zeitungen zur Verfügung. Man konnte sich umgehend austauschen und diskutieren. Diese Formen gesellschaftlichen Lesens und nicht öffentlichen Debattierens waren vor Polizeimaßnahmen relativ geschützt.

Führend unter der einheimischen Presse war die gemäßigt liberale „Kölnische Zeitung“ mit einer Auflage von über 8.000 Exemplaren, die dezidiert auch katholische Positionen vertrat. Die 1842 gegründete „Rheinische Zeitung“ in Köln war als Konkurrenzunternehmen und besonderes Sprachrohr der rheinischen Liberalen gedacht. Die Schriftleitung lag seit Oktober 1842 bei Karl Marx; die angriffslustige „Rheinische“ konnte ihre Auflage auf 3.400 steigern, bevor sie im April 1843 von der preußischen Zensur verboten wurde. Der Chefredakteur ging ins Exil und kehrte zu Beginn der Revolution nach Köln zurück, wo er die „Neue Rheinische Zeitung“ herausgab, das führende radikaldemokratische Blatt 1848/49.

In Wesel erschien der von August Bagel verlegte „Sprecher oder: Rheinisch-Westfälischer Anzeiger“. Unter der Chefredaktion von Karl Grün (1817-1888), einem der profiliertesten politischen Journalisten in Deutschland, nahm der „Sprecher“ seit dem Sommer 1843 eine zunehmend demokratische Färbung an. Der Verleger geriet unter starken Druck der Behörden. Grün musste Ende 1844 seine Tätigkeit in Wesel aufgeben und ging zunächst zur „Trierischen Volkszeitung“.

Der von Moses Hess 1845/46 in Elberfeld herausgegebene, frühsozialistische „Gesellschaftsspiegel“ war eine der bedeutendsten frühsozialistischen Zeitschriften. Das Heft erlebte nur 12 Ausgaben, fand jedoch eine vergleichsweise große Resonanz auch in der Arbeiterschaft, da Hess um eine realistische Darstellung sozialer Probleme bemüht war.

Weitere Informationen: 

Biographie von Moses Hess auf dem Portal Rheinische Geschichte

 

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„Gesellschaftsspiegel“, Sozialkritische Zeitschrift, hrsg. von Moses Hess, Heft VII, Elberfeld 1846 © LVR-Niederrheinmuseum Wesel