Preußische Militärreformer in Koblenz

Coblentz and the Fortress of Ehrenbreitstein
Thomas Sutherland nach Christian Georg Schüz, London um 1820, Aquatinta,
LVR-Niederrheinmuseum Wesel

„Den mir wohlwollenden Einwohnern von Coblenz wollen Sie noch meinen Dank ausdrücken für die Beweise ihres Zutrauens und ihrer Zuneigung, die ich das Glück hatte zu erhalten. So viel Wohlwollen als man mir in unseren Rheinlanden bezeugt hat, hat mich den festen Entschluß fassen lassen, dort einheimisch zu werden. Ein schöneres Land und herzlichere Einwohner gibt es nirgends.“

Verfasser dieser Briefzeilen im Juli 1816 war der preußische General August Neidhardt von Gneisenau (1760-1831), neben Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) der bedeutendste Heeresreformer. Gneisenau hatte als Stabschef Blüchers erheblichen Anteil an den siegreichen Feldzügen 1813/14 und an der endgültigen Niederwerfung Napoleons mit der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815. Unmittelbar danach wurde er zum Oberbefehlshaber des „Generalkommandos im Großherzogtum Niederrhein“ berufen. Gneisenau traf erst am 3. Dezember 1815 von Paris aus in Koblenz ein, wo er aufgrund seines militärischen und reformpolitischen Renommees gut aufgenommen wurde.

Als Stabschef hatte Gneisenau seinen Freund Carl von Clausewitz (1780-1831) angefordert, der ebenfalls dem inneren Zirkel der preußischen Heeresreformer angehörte. Nach ihren Vorstellungen sollte die Landesverteidigung von mündigen Patrioten wahrgenommen werden, deren Wehrpflicht staatsbürgerliche Rechte zugrunde lagen. Neben der Loyalität zur Krone waren neue Leitbilder dieser Offiziere Staat und Gesellschaft und, über Preußen hinausgehend, auch die deutsche Nation. Derartige Ideen stießen auf massiven Widerstand der Altständisch-Konservativen. Insbesondere Gneisenau war bei ihnen als radikaler „Jakobiner“ verschrien; Intriganten und Phantasten vermuteten in ihm sogar das Haupt einer geheimen Umsturzpartei.

In Berlin hatte die Restaurationspartei nach dem Krieg wieder die Oberhand erlangt und schürte beim König die Befürchtung, dass sich in „Wallensteins Lager“ zu Koblenz zwischen preußischen Reformern und liberalen Rheinländern eine unheilvolle Koalition zusammenbraue. Hier gab Joseph Görres (1776-1848) den „Rheinischen Merkur“ heraus, die regierungskritischste Zeitschrift überhaupt. Und mit Johann August Sack (1764-1831), dem ersten Oberpräsidenten der neuen Provinz „Großherzogtum Niederrhein“, war überdies noch einer der profiliertesten preußischen Zivilreformer vor Ort.

Der vermeintliche Koblenzer „Hotspot“ war auch nicht von langer Dauer. Der „Rheinische Merkur“ wurde bereits im Januar 1816 verboten. Das Generalkommando wurde im Frühjahr 1816 anderweitig besetzt. Sack entsorgte man als Oberpräsidenten von Pommern nach Stettin. Clausewitz wurde 1818 als Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin (ohne Lehrerlaubnis) aufs Abstellgleis gestellt. Er betrieb nun hauptsächlich militärwissenschaftliche und militärtheoretische Studien und verfasste in den folgenden Jahren sein Hauptwerk „Vom Kriege“.

Gneisenau erhielt erst nach der polnischen Insurrektion 1830 wieder ein Kommando: über die preußische Observationsarmee an der polnischen Grenze. Clausewitz fungierte wiederum als sein Chef des Generalstabs. Beide infizierten sich mit der grassierenden Cholera und verstarben 1831 innerhalb weniger Monate.

 

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August Neidhardt von Gneisenau, Künstler unbekannt, Lithographie bei B. Kehse, Magdeburg, in: J.C. Kretschmer, Friedrich Wilhelm III., Danzig 1841, LVR-Niederrheinmuseum Wesel