Milchversorgung

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Milchausschank in Essen, Kopstadtplatz, Anfang 20. Jahrhundert (©LVR-Portal Alltagskulturen im Rheinland).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lenkte die steigende Sozialfürsorge die Aufmerksamkeit auf ein Grundnahrungsmittel, das vor allem in den Städten immer schwerer zu beschaffen war. Um „die Verwendung der Milch als eines Volksnahrungsmittels zu fördern“ wurde daher am 1. Oktober 1904 im Haus der Düsseldorfer Handelskammer die Gemeinnützige Gesellschaft für Milchausschank in Rheinland und Westfalen GmbH gegründet. Die provinzübergreifende Vereinigung ist ein Beispiel für zahlreiche Initiativen zur Milchversorgung im Deutschen Kaiserreich und war eine der ersten ihrer Art.

Ein „Bericht über die Entwicklung der Gesellschaft“ aus dem Jahr 1906 führt die Gründung auf bereits bestehende Milchausschankstellen der „Kölner Meierei vereinigter Landwirte“ in Köln zurück. Demnach waren in den Sommermonaten der Jahre 1903/04 in der Ringstraße sieben Ausschankstellen in Betrieb. Da es sich dabei aber lediglich um Verkaufsbuden handelte, sollten „Milchhäuschen mit behaglichem Aufenthalt im Inneren für die Gäste statt des Ausschankes an die draußen auf der Straße Stehenden“ errichtet werden. Zum ersten Vorsitzenden wurde Kommerzienrat Adolf Möhlau ernannt, als Stellvertreter und Schriftführer fungierte Professor Otto Kamp. Möhlau stand seit 1898 der Düsseldorfer Handelskammer vor, Kamp war Professor an der Eilsabethenschule in Frankfurt am Main und engagierte sich als Sozialpolitiker in Bonn. Daneben gehörten die Oberpräsidenten und Landeshauptmänner der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen sowie der Regierungspräsident und der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf dem Aufsichtsrat der Gesellschaft an. Die Präsidenten der Landwirtschaftskammern, die Bauernvereine und der landwirtschaftliche Verein für Rheinpreußen sowie weitere namhafte Einzelpersonen waren ebenfalls beteiligt. Das Gesellschaftskapital steigerte sich bis zum Ende des Jahres 1905 auf 160.000 Mark und zeigt, dass das Unternehmen auf großen Zuspruch stieß. Die Gesellschafter wurden in dem Bericht ebenfalls vorgestellt und in drei Gruppen eingeteilt: „Die erste, bei weitem stärkste Zahl von Förderern des gemeinnützigen Unternehmens besteht aus den besten Namen der rheinisch-westfälischen Großindustrie“ wie Friedrich Krupp (2.000 Mark) oder Friedrich Bayer (500 Mark); „ihr zur Seite verschiedene Bankhäuser und Banken derselben Landesteile“ wie etwa der A. Schaaffhausensche Bankverein in Köln, „neuerdings auch die hervorragendsten Berliner Finanzinstitute. An zweiter Stelle ein, auch schon beachtlichere Teil von Städten, bezw. Stadtverwaltungen und mehrere Kreisausschüsse“, die der Koblenzer Oberbürgermeister in seinem Exemplar markierte. „Drittens: Aus der Landwirtschaft: Körperschaften wie die Landwirtschaftskammern und andere umfassende Vereinigungen, Genossenschaften und dazu einzelne Guts- und Milchwirtschaften; endlich sonstige private Sachfreunde und auch Freundinnen“ wie zum Beispiel die „Frau Hugo Stinnes“ (500 Mark), die sich neben ihrem ebenfalls aufgeführten Mann selbst beteiligte oder die Frauen „Louis und Hugo Haniel“ (je 500 Mark)., d.h. die Witwen aus der bekannten Duisburger Unternehmerfamilie Haniel.

Im ersten Jahr des Bestehens konnten 71 Milchhäuschen an 28 Orten im Nordwesten errichtet werden, darunter allein jeweils zehn in Düsseldorf und Essen sowie jeweils drei in Bonn, Mülheim an der Ruhr und Krefeld. In Barmen, Elberfeld, Uerdingen, Recklinghausen, Münster und in anderen Städten war die Milch an mindestens einem Haus zu bekommen. Industriestandorte wie Aachen-Burtscheid, wo fünf Verkaufsstellen existierten, wiesen eine vergleichsweise hohe Nachfrage auf. Der Ausschank erfolgte dabei „in hübschen schmucken Häuschen von möglichst einheitlicher, die Bestimmung kennzeichnende Bauart, täglich von früh bis spät abends, durch Verkäuferinnen reifen Alters. Die Häuschen [sollten] auch technisch übereinstimmend, d.h. mit genau der gleichen Ausstattung im Innern versehen, an ortsansässige oder in der Nähe der Betriebsorte wohnende Milchproduzenten verpachtet“ werden und boten Vollmilch, Magermilch oder Buttermilch in 150 ml bzw. 125 ml Gläsern zu erschwinglichen Preisen von 10 bzw. 5 Pfennig  an. Brötchen und Zwieback wurde ebenfalls gereicht, „Zuckerbackwaren, sog. Konditorsachen“ und der Verkauf anderer Getränke waren aber „ganz ausgeschlossen“ und entsprachen nicht dem gemeinnützigen Gesundheitsideal der Gesellschaft.

Quellen: Stadtarchiv Koblenz (StAK) Bestand 623 Nr. 5685.

(Katharina Thielen, 26.7.2023)


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Postkartenansicht: Milchhäuschen "Am Plan" in Koblenz, 1906 im Auftrag der Gesellschaft für Milchausschank errichtet (©StAK FA 4,21 Nr. 13 Bild 100).
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