Das Regiment „Augusta“

Im Zuge der Heeresreorganisation 1859/60 entstanden auch vier neue preußische Garde-Infanterieregimenter, darunter das Gardegrenadierregiment Nr. 4. Dessen Standort in Koblenz (Füsilierbataillon zunächst in Düsseldorf) stellte einen außergewöhnlichen Sonderfall dar, da die preußischen Garderegimenter bisher stets in Potsdam oder Berlin stationiert waren. Die Ausnahme konnte als besonderer Ehrenerweis der Krone an die Rheinprovinz verstanden werden. Aber auch als deutlicher Hinweis auf bestehende Machtverhältnisse: Ausgerechnet die Provinz, aus der die stärkste liberale Opposition gegen die noch laufende Heeresreform kam, erhielt nun ein aus dieser Reform hervorgegangenes Garderegiment „geschenkt“. 

König Wilhelm I. ernannte am 18. Oktober 1861 seine Gemahlin Augusta zum Chef des nunmehrigen „4. Garde-Grenadier-Regiments ,Königin‘“. Die Chefstellung über ein Regiment war im 19. Jahrhundert nur noch ein Ehrentitel, aber die kluge Verbindung der „rheinischen Garde“ mit ihrem Standort und der Namensgeberin zeitigte für die Monarchie einen Sympathieerfolg in der Provinz. Wilhelm I., seinerzeit Prinz von Preußen und Generalgouverneur der beiden Westprovinzen, und Augusta hatten von 1850-1859 in Koblenz residiert und bewahrten diese Zeit in guter Erinnerung. Wie allgemein bekannt, hatte sich namentlich Augusta in den rheinischen Verhältnissen sehr wohl gefühlt, hier viele Kontakte geknüpft und sich um eine Entspannung im Verhältnis zur katholischen Kirche bemüht. 

Ehrendegen für Offiziere des Garde- Grenadier-Regiments Nr. 4, Fabriken von Weyersberg, Kirschbaum & Cie. (WKC) Solingen 1894, Widmungsinschrift, Stahl, Bügel vergoldet, Silberdrahtumwicklung am Griff, aufgelegter Gardestern, Knauf in Form einer Grenadiergranate mit Initiale A, auf Rückseite und Stichblatt die Jahreszahlen 1861-1886 © LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Nach Kabinettsordre vom 14.10.1886 erhielten die Offiziere des Regiments zum 25jährigen Chefjubiläum der Kaiserin Augusta einen Ehrendegen, der sich in der Formung des Griffs, der Initiale und Jahreszahl von den Seitenwaffen der Offiziere aller übrigen preußischen Infanterieregimenter unterschied.

Insofern leisteten die „Augustaner“ auch einen „militärischen“ Beitrag zum Ausgleich zwischen den Konfessionen und erhielten damit eine weitere integrationspolitische Funktion. Das Regiment rekrutierte seine Mannschaften überwiegend aus Einheimischen, und bald war auch der rheinisch-katholische Adel überproportional im Offizierkorps vertreten. Augusta stattete das Regiment für seinen ersten Feldzug 1866 mit einem eigenen katholischen Regimentsgeistlichen und einem Wagen mit sakralem Kultgerät aus. Im Krieg 1870/71 zeichneten sich die „Augustaner“ mehrfach aus und wurden in der Rheinprovinz geradezu populär.

Die Augusta-Grenadiere erfreuten sich stets der besonderen Aufmerksamkeit und Fürsorge ihrer „Chefin“, die für das Regiment einen eigenen Marsch komponiert hatte und es über Jahrzehnte häufig in Koblenz besuchte. Die Königin und seit 1871 Kaiserin nahm ihre militärischen „Pflichten“ durchaus ernst, ungeachtet ihrer kritischen Einstellung zur preußischen Verfassung und Politik sowie ihres karitativen Einsatzes gerade für die Kriegsverwundeten. 

Das Regiment behielt seine Ausnahmestellung als provinziale Garde bis nach dem Tod Augustas 1890. (Die zweite Ausnahme war das 3. Garderegiment zu Fuß, 1866-1878 in Hannover stationiert) Wilhelm II. verfügte danach die Umbenennung in „Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4“ und 1893 die Verlegung nach Spandau. 

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Waffenrock und Schirmmütze eines Oberleutnants im Königin Augusta Garde- Grenadier- Regiment Nr. 4, Eduard Kühne Hoflieferant, Erfurt um 1900 © LVR-Niederrheinmuseum Wesel