Ein gerechter Meister aus Emmerich

Grabstein für Elias Gomperz
Emmerich 1689, Sandstein, ca.120 x 100 x 20 cm, Blumenschmuck an der linken, oberen Ecke abgebrochen, im Halbkreis des Bogens der Eimer aus dem Wappen der Stadt Emmerich. Hebräische Inschrift, seitlich eingefasst von allegorischen Motiven und Rankenwerken. Original auf dem Jüdischen Friedhof an der Wassenbergstr., Emmerich,
Abguss LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Elias Gomperz(ca.1615–1689) wurde auf dem ersten Friedhof der jüdischen Gemeinde von Emmerich bestattet, der 1629 vor dem Wassertor zwischen Stadtmauer und Graben angelegt wurde. Die erhaltenen Zeilen der hebräischen Inschrift auf dem Grabstein lauten übersetzt:

Es ist der geehrte Meister, Herr Eli(ja) Emmerich,

das Andenken des Gerechten zum ewigen Leben.

Dieses Mal setzten wir zu Häup(ten)

des Mannes, der den Zoll abschaffte

und veranlasste die Einrichtung des Lehrhauses,

auf dass darin gelernt werde

wie dem Gesetz gemäß und unverbrüchlich. Es ist

der geehrte Herr, unser Meister, Eli(ja), Sohn unseres Lehrers und Meisters,

Ende des 16. Jahrhunderts entstanden zunächst in Emmerich, Kleve und Wesel wieder kleine jüdische Gemeinden am Niederrhein. Für das Wohnrecht war ein landesherrlicher „Schutzbrief“ obligatorisch, den die „geleiteten“ Juden für sich, ihre Familien und Angestellten durch Gebühren und besondere Abgaben zu erkaufen hatten. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg sicherte besonders in seinen westlichen Landesteilen früh jüdische Niederlassungen. Die Bereitschaft, Juden unter seinen Schutz zu stellen, entsprach, wie bei zahlreichen anderen Reichsfürsten auch, vor allem realistisch-materiellen Überlegungen.

Die niederrheinischen Gomperz waren um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu Ansehen, Wohlstand und Einfluss gelangt. Elias Gomperz übernahm 1661 von seinem Vater den weltlichen Vorsitz der klevischen Landjudenschaft. Als ihr „Schtadlan“ (Fürsprecher) vertrat er seine Glaubensgenossen nach außen und verwaltete als praktisch souveräner Patriarch deren innere Angelegenheiten. Elias Gomperz wurde zu einem der bedeutenden jüdischen „Hoffaktoren“ des Großen Kurfürsten und wirkte als Lieferant, Finanzier, Kreditvermittler und ökonomischer Berater des Landesherrn, auch als Steuereinnehmer der Landjudenschaft.

Gomperz verlegte mit Generalschutzpatent des Kurfürsten 1661 Wohn- und Geschäftssitz seines Bankhauses nach Kleve. Hier errichtete er neben seinem Wohnhaus die erste Synagoge und stiftete zum Gotteshaus auch den zweiten zentralen Ort jüdischen Gemeindelebens: ein Lehrhaus. Gomperz trat vielfach für eine bessere Behandlung seiner Schutzbefohlenen ein. 1684 erreichte er, dass der Kurfürst den bis dahin üblichen Leibzoll für jüdische Reisende im Herzogtum Kleve abschaffte. Den Wegfall dieser entwürdigenden Taxe rechneten die Glaubensgenossen ihrem „Schtadlan“ neben der Errichtung eines Lehrhauses als höchste Verdienste an, wie aus der Inschrift auf dem Grabstein hervorgeht.

Gomperz hatte mit seiner gebildeten und geistreichen Ehefrau Sara Mirjam (1636–1691) geb. Bendit aus Jülich (auch ihr Grabstein ist erhalten) zehn Kinder. Das Klever Stadtpalais des Ehepaars war ein gesellschaftlicher Anziehungspunkt, wo auch der Statthalter Johann Moritz von Nassau-Siegen häufig zu Gast war. Prinz Friedrich(1657–1713), Sohn und Thronfolger des Großen Kurfürsten, 1701 erster König in Preußen, nahm hier 1674 an der Hochzeitsfeier des zweiten Gomperz-Sohnes teil.

Familien wie die Gomperz bildeten eine sehr kleine jüdische Elite. Die große Mehrzahl ihrer Glaubensgenossen lebte in weitaus bescheideneren und sehr viele auch in geradezu ärmlichen, rechtlich ungesicherten Verhältnissen. Elias Gomperz und der Landesherr begegneten sich im Juli 1686 zum letzten Mal in Kleve. Am 14. Februar 1687 erließ der Große Kurfürst ein auf 20 Jahre erneuertes Geleit für die im Herzogtum Kleve ansässigen „Schutzjuden“, das ihnen erstmals Gleichbehandlung bei Gericht garantierte sowie die ungestörte Feier ihrer „Zeremonien und Festivitäten“.

Die relativ duldsamere Haltung des Großen Kurfürsten und seines Nachfolgers zu ihren jüdischen Untertanen brachte für diese noch längst keine völlige rechtliche und soziale Gleichstellung mit sich. Obwohl die einschlägigen Reglements der preußischen Könige im 18. Jahrhundert das bisher Erreichte gerade im Klevischen wieder einschränkten, entwickelten sich auch am preußischen Niederrhein lebhafte jüdische Gemeinden, die bereits am Ende des Jahrhunderts selbstverständlicher Bestandteil ihrer Städte waren.

 

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Foto: Synagoge Roonstraße Köln
Köln, Synagoge Roonstraße (Aufnahme von 2006) © Andreas Schiblon, Landschaftsverband Rheinland