Reflektionen zum 150. Jahrestag des Deutsch-Französischen Krieges in den Museen Frankreichs und Deutschlands

Alfred Umhey, Sammlungsleiter und Ausstellungsgestalter im
Musee Guerre et paix

Der militärische Konflikt von 1870/71 ist in der öffentlichen Wahrnehmung beider Länder heute wenig bis gar nicht präsent. Daran hat auch der „runde“ Jahrestag nicht viel geändert, zumal durch die Umstände der Covid-19-Krise die meisten geplanten lokalen Veranstaltungen in Frankreich und auch in Deutschland ausfielen.

In Deutschland hat sich das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden zu einer themenübergreifenden Ausstellung entschlossen, die unter dem Titel „KRIEG MACHT NATION“ die sogenannten Einigungskriege 1864,1866 und 1870 in einem interessant gemachten Rundgang und lesenswertem Katalog präsentiert. Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zeigt mit „NATION IM SIEGESRAUSCH“ eine Ausstellung von Dokumenten und Objekten mit württembergischen Schwerpunkt.

Das Armeemuseum in Paris hat sich bereits vor drei Jahren mit einer sehenswerten deutsch-französischen Ausstellung, „FRANCE ALLEMAGNE(S) 1870-1871 -LA GUERRE, LA COMMUNE, LES MÉMOIRES“ an diesem Thema abgearbeitet und das Projekt mit einem umfangreichen Katalog abgerundet.

Gleichwohl gab es in Frankreich im Jahr 2020 interessante Ansätze, sich diesem vergessenen Konflikt zu näheren, der zwar im Schatten der beiden Weltkriege steht, aber auch zum Teil als dessen Wurzel betrachtet werden kann. Die Museen in Gravelotte (bei Metz) Belfort (nahe Basel) und Loigny (zwischen Chartres und Orleans) zeigten Ausstellungen die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Kriegs befassen.

Unter dem Titel „PAIX ES-TU LA?“ (Friede, bist du da?) wird in Gravelotte den Toten, Verwundeten, Gefangenen und der Rolle der Zivilbevölkerung gedacht. Das Museum selbst ist 2014 neu eröffnet worden. Die Sammlung selbst ist die älteste Schausammlung zum Thema in Frankreich und verfügt so über einen beachtlichen Bestand deutscher Uniformen, die bereits unmittelbar nach dem Krieg in einem ersten privaten Museum gezeigt wurden. In Loigny, einem Schlachtfeld der zweiten Kriegsphase unter der neuen 3. Republik, befasst man sich mit dem geschlagenen Kaiser Napoleon III und Leon Gambetta, dem „neuen starken Mann“ und Innenminister der Republikanischen Regierung nach dem Sturz des Kaiserreiches.

Im Elsass, dem Schauplatz der ersten Kämpfe, zeigte das kleine aber feine Museum in Woerth eine Fotoausstellung. Auch dieses schon lange bestehende Museum ist erst kürzlich neugestaltet und optisch aufgewertet worden. Während sich viele historische Museen von Zinnfigurendioramen in ihren Beständen getrennt haben, hat Woerth sein großes Diorama, gestaltet von dem Hamburger Sammler Fritz Korth, behalten und in die neue Konzeption integriert.

Das Historische Museum in Straßburg hatte, ebenso wie Paris, das Thema schon mit einer Schau zur Belagerung der Stadt aufgegriffen, die seinerzeit mit eindrucksvollen photographischen Aufnahmen den Beschuss und die Zerstörungen dokumentierte. 

Schließlich bleibt noch vom Departement Ardennes mit einem der Hauptschauplätze (Sedan) und dem Musée Guerre et Paix in Novion –Porcien, einem kleinen Ort südlich der Departements-Hauptstadt Charleville-Mézières zu berichten.

Das Schlachtfeld in Sedan ist noch recht gut erhalten und keineswegs völlig überbaut. So lässt sich, mit einer guten Karte der Verlauf der Schlacht gut nachvollziehen, vor allem, wenn man vom Aussichtspunkt des Deutschen Generalstabes bei La Marfée, oberhalb des Ortes Frénois beginnt und von dort das Schlachtfeld überblickt.

Am Ende der Rundfahrt erschließt sich dem Betrachter die „unhaltbare“ Situation der französischen Armee im Talkessel von Sedan, eingekreist von den deutschen Truppen und unter konzentriertem Beschuss der technisch überlegenen Artillerie aus dem Hause Krupp.

Auf der Burg gibt es einen Saal mit Militaria und Ausschnitten aus den bekannten 1870er Panoramen zu sehen, die auch die Studie zum Sedan-Panorama des bayerischen Historienmalers Louis Braun mit einbezieht. Das Museum „Maison de la derniere cartouche“ befindet sich im Vorort Bazeilles, einem Schlüsselpunkt der Kämpfe und Ort der Gedenkstätte der französischen Marineinfanterie, die hier wortwörtlich bis zur „letzten Patrone“ kämpfte. Dort präsentiert man eines der bekanntesten Bilder des Krieges, die von Alphonse de Neuville gemalte Darstellung vom Endkampf um das Gebäude. Der Besucher steht in dem als Großpanorama gestalteten Raum und blickt auf das Gemälde im Nebenraum. Hier wird Geschichte in künstlerischer Gestaltung greifbar.

Szene eines Häuserkampfs in Bazeilles-Sedan, 1870, Musee Guerre et paix, Novion-Porcien

Das „Musée Guerre et Paix“ (Krieg und Frieden) in welchem der Verfasser tätig ist, hat sein Alleinstellungsmerkmal darin, dass es als einziges in Frankreich die drei Konflikte – 1870/71, 1914-18 und 1939-45 in einem chronologischen Rundgang präsentiert. Durch die Einbeziehung der „Zwischenkriegszeiten“ (gemeinhin Friedensperioden genannt) erschließt sich die Verbindung der drei Konflikte durch die jeweiligen Friedensverträge und deren Auswirkungen, die ihrerseits den Keim des nächsten Waffengangs schon in sich tragen. Da die Thematik deutsch–französisch ist, ist auch das Museumsteam entsprechend besetzt.

Auch in diesem Haus wurde dem Konflikt mit einer Sonderschau gedacht, die aber nicht separat, sondern in den Parcours integriert präsentiert wurde.

Über die seit über einem Jahrzehnt praktizierte enge Zusammenarbeit mit den entsprechenden deutschen Fachmuseen (Dresden, Ingolstadt und Rastatt) und Häusern wie dem LVR-Niederrheinmuseum Wesel (ehemals „Preußen-Museum“) oder dem Bismarckmuseum in Friedrichsruh (nahe Hamburg) konnte der Bestand mit deutschen Uniformen ergänzt werden, die aus dieser Epoche nicht gerade dicht überliefert sind. Aber auch das „Musée St. Remy“ in Reims hat spektakuläre Uniformen der französischen Armee, wie z.B. eine komplette Generalsuniform und die eines Angehörigen der kaiserlichen Leibwachen „Cent-Gardes“ (Hundertergarde) für diese Ausstellung ausgeliehen.

Ergänzt werden die Realien durch mehrere Dioramen in der Dauerausstellung:

preußische Angriffskolonne, französische Abwehrlinie und die Gegenüberstellung der beiden Artilleriesysteme.

Abgerundet wird das Thema mit einem „ABCdaire“, einer im späten 19 Jhd. beliebten und weitverbreiteten Illustrationsform für Themen aller Art. In diesem speziellen Fall werden die deutschen und französischen Armeen mit Zinn- und Modellfiguren von A bis Z dargestellt:

Von „Artillerie“ bis „Zouaves“ auf französischer und „Adjutant“ bis „Zündnadelgewehr“ auf deutscher Seite. 

Diese Ausstellung wird noch bis Ende 2021 zu sehen sein, in der Hoffnung, dass wir ab Juni wieder für das interessierte Publikum öffnen können.

Aus den Kommentaren und Gesprächen mit unseren Besuchern können wir feststellen, dass zwar ein erhebliches Informationsdefizit (auf deutscher wie französischer Seite) zu Ursachen, Verlauf und Folgen des Krieges besteht, aber auch der Wunsch dieses auszugleichen, wozu das Museum in Präsentation und Führungen seinen Beitrag leistet.

Zumindest in Frankreich sind für die Schulen Programme erstellt worden, welche die Beschäftigung mit dem Konflikt und seinen Folgen thematisieren. Es wäre zu wünschen, dass dies nicht auf das Jubiläum beschränkt bleibt, sondern sich langfristig fortsetzt, zumal durch neuerliche Restriktionen die Möglichkeiten der Umsetzung wieder anderen Schwerpunkten weichen könnten.

 

Zum Autor:

Alfred Umhey, Jahrgang 1961, Sammlungsleiter und Ausstellungsgestalter im Musee Guerre et paix seit 2006

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Diorama eines deutsch-französischen Gefechts aus dem Jahr 1870, Musee Guerre et paix, Novion-Porcien