Kleider der Macht

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Beamten-Epauletts (LVR-Niederrheinmuseum Wesel).

„Herrschaft ist im Alltag: Verwaltung“ – diese bekannte Beobachtung des Soziologen Max Weber deutet auf die wichtige Funktion von Verwaltungsbeamten für die Durchsetzung von Herrschaftsinteressen und ihre allgemeine Anerkennung hin. Besonders in politischen Umbruchsphasen nahmen Staatsdiener eine vermittelnde Position zwischen der Obrigkeit und der Bevölkerung ein und werden als „Schnittstellen“ in der politischen Alltagskultur betrachtet. Für die Durchsetzung von Herrschaftsinteressen war ihre Kommunikations- und Problemlösefähigkeit elementar. Aus diesem Grund blieben zahlreiche Verwaltungsmänner beim Einmarsch der Alliierten 1813/14 an Ort und Stelle und unter Preußen im Amt. Bisweilen hatten sie diese Ämter sogar bereits vor der sogenannten Franzosenzeit (1794–1813/14) innegehabt.

Für viele Amtsträger war der Austausch der Herrschaftszeichen, vom Kopfregest der Verwaltungspapiere über den Siegelstempel bis zum Portrait des Kaisers bzw. Königs im Sitzungssaal daher nichts Neues. Die Anbringung des preußischen Adlers an den jeweiligen Rathäusern erfolgte in den großen Städten der Rheinprovinz im Rahmen der Huldigungszeremonie am 15. Mai 1815 und signalisierte den Einwohnerinnen und Einwohnern, dass eine neue politische Ära begann. Dahinter stand das Prinzip, dass der Herrschaftswechsel münd­lich – per Eid – bekräftigt und in öffentlich sichtbare Herrschaftszeichen übersetzt werden musste, um Alltagsrealität zu werden.

In diesem alltäglichen Miteinander waren Uniformen besonders wichtig, signalisierten sie doch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Ordnung und die Präsenz dieser Ordnung vor Ort. Vor allem Napoleon, der sich selbst gerne als uniformierter Feldherr inszenierte, wusste um die Wirkung der Kleidung als Mittel zur symbolischen Herrschaftslegitimation im öffentlichen Raum und setzte die umfassende Uniformierung von Zivilbeamten durch.

Da es sich dabei um teure Kleidungsstücke handelte, die dem Träger Autorität verliehen, waren sie zunächst nur bestimmten leitenden Beamten vorbehalten. Nach dem Herrschaftswechsel 1815 musste man sich auf der unteren Verwaltungsebene zunächst damit behelfen, lediglich die Knöpfe des traditionellen Uniformfracks auszutauschen. Ebenso wie die Schulterklappen, die sogenannten Epaulettes, bildeten diese Details den preußischen Adler und somit die zentrale, allgemein verständliche Symbolik des neuen Herrschaftshauses ab. Bei den übergeordneten Regierungen wurden neue Amtsroben auf Weisung des Innenministeriums für den ersten Besuch des preußischen Königs im Jahr 1818 angeschafft. Da dieser der Plenarsitzung in Köln jedoch wider Erwarten fern blieb, hätte man sich laut Regierungsassessor Eberhard von Groote besser „nicht nur die Unbequemlichkeit des Ankleidens, sondern, was mehr ist, die 100 Taler gespart, die die Uniform kosten sollte.“ Diese Tagebuchnotiz des Kölner Patriziers verweist auf die hohe Bedeutung, die der Uniform bei repräsentativen Anlässen zukam. Sie nahm in den darauffolgenden Jahren beständig zu, wurde auf andere Verwaltungsebenen und Situationen, beispielsweise den Provinziallandtag, übertragen und beförderte ein gruppenspezifisches Standesbewusstsein der sogenannten Bürokratie in Preußen.

Nach der Reichgründung bot die im Reichsbeamtengesetzes 1873 vorgesehene Vereinheitlichung der Uniformen in den einzelnen Bundesstaaten eine unmittelbare Gelegenheit, die deutsche Einheit konkret erfahrbar zu machen. Dennoch sah man aus symbolpolitischen Gründen zunächst davon ab die preußische Beamtenuniform zu verändern. Erst nach der Thronbesteigung Wilhelms II. im Jahr 1888 löste der altbrandenburgische Waffenrock den bisher obligatorischen Uniformfrack ab. Für die Zeitgenossen kam dies einer Militarisierung des Auftretens der Zivilbeamten nach traditionell preußischem Muster gleich, die auf eine Idee Bismarcks zurückging und bis zum Ende des 2. Weltkriegs Bestand hatte.

(Katharina Thielen, 10.2.2022)

Quellen und Literatur:

Brakensiek, Stefan: Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich. In: Ders./Wunder, Heide (Hrsg.): Ergebene Diener ihrer Herren. Herrschaftsvermittlung im Alten Europa. Köln 2005, S. 1–22.

Clemens, Gabriele B.: Diener dreier Herren. Die Beamtenschaft in den linksrheinischen Gebieten vom ‚Ancien Régime‘ bis zur Restauration, in: Schnabel-Schüle, Helga/Gestrich, Andreas (Hg.): Fremde Herrscher – fremdes Volk. Inklusions- und Exklusionsfiguren bei Herrschaftswechseln in Europa. Frankfurt a. M. u.a. 2006 (Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart 1), S. 73–102.

Haas, Stefan: Im Kleid der Macht. Symbolische Kommunikation und Herrschaft in der preußischen Verwaltung des 19. Jahrhunderts, in: Pröve, Ralf/Winnige, Norbert (Hg.): Wissen ist Macht. Herrschaft und Kommunikation in Branden-burg-Preußen 1600–1850. Berlin 2001, S. 137–156.

Haas, Stefan: Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800–1848. Frankfurt a. M./New York 2005.

Haas, Stefan/Hackspiel-Mikosch, Elisabeth: (Hg.): Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation. Kleidung zwischen Repräsentation, Imagination und Konsumption in Europa vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. München 2006 (Studien zur Geschichte des Alltags 24), S. 13–46.

Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Best. 1552 Groote, Eberhard von (1808–1862), A1/14 Tagebücher (1818).

Ortenburg, Gorg/Prömper, Ingo (Hg.): Preussisch-deutsche Uniformen von 1640–1918. München 1991.

Nach Rang und Stand. Deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert. Eine Ausstellung im deutschen Textilmuseum. Krefeld 24. März bis 23. Juni 2002.

Raphael, Lutz: Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2010.

Süle, Tibor: Preußische Bürokratietradition. Zur Entwicklung von Verwaltung und Beamtenschaft in Deutschland 1871–1918. Göttingen 1988.

Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1922 (Grundriß der Sozialökonomik 3).

Wunder, Bernd: Geschichte der Bürokratie in Deutschland. Frankfurt a. M. 1986.


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Beamten-Uniform mit Knöpfen, Kaiserreich (LVR-Niederrheinmuseum Wesel).
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Waffenrock aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (LVR-Niederrheinmuseum Wesel).
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