Familienstrukturen

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Wandel der Familienstrukturen nach Französischer und Industrieller Revolution. Zwischen Biedermeier und Kinderarbeit

Während die Hausfamilie als Produktionsstätte bis in 20. Jahrhundert auf dem Land bestehen bleibt – mit Hausfamilie sind alle Menschen gemeint, die gemeinsam unter einem Dach leben und arbeiten -, entwickelten sich vor allem nach der Französischen Revolution (1789-1799) zwei neue Familienbilder in den Städten, welches sich durch die einsetzende Industrielle Revolution und die damit einhergehenden Änderungen im Arbeitsleben verstärkt: die Arbeiterfamilie und die Bürgerfamilie des Biedermeier.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beginnt sich die bürgerliche Kultur nach innen zu richten - der Biedermeier beginnt und damit seine auf Gemütlichkeit und Ausgestaltung des Wohnhauses gerichtete Fokussierung. Der Biedermeier ist auch die Zeit in der sich Weihnachten und andere Feste zu Bescherfesten entwickelten. Das Bescheren der Kinder wurde als ein pädagogisches Instrument verwendet, um die Kinder – soweit sie artig und fleißig waren sowie die Eltern es sich leisten konnten – mit Geschenken zu belohnen. Mit dem bürgerlichen Wandel der Hausfamilie hin zur Kernfamilie, in welcher die Männer häufiger auch in industrielle abhängige Arbeitsverhältnisse wechselten, wurden die Aufgaben der Frauen stark begrenzt. Sie kümmerten sich zunehmend um die Ausgestaltung des Hauses sowie die Betreuung der Kinder und waren nicht mehr in die Produktion und das Wirtschaften eingebunden. Mit dieser Fokussierung entwickelte sich die „gute Kinderstube“, Spielzeug fand seinen Weg in die bürgerlichen Häuser, in denen sich die klar verteilten und patriarchalisch geprägten Geschlechterrollen widerspiegelten und reproduzierten. Zu bedenken ist aber, dass selbst ein Großteil des Bürgertums nicht ohne Sorgen lebte. In Kleinbürger- und Arbeiterfamilien bestand selten die finanzielle Möglichkeit für Kinderstube und Kinderspielzeug. Erst nach der Reichsgründung 1871 wuchs die Schicht der Bürger, die ohne Sorgen lebten, auf rund 10%. Auf der anderen Seite standen hier die neuen (Fabrik-)Arbeiterfamilien, in denen meist alle Mitglieder erwerbstätig waren: Väter, Mütter und auch Kinder, teils von 8 Jahren an. Frauen und Kinder waren billige Arbeitskräfte, die schlechter bezahlt wurden als männliche Arbeiter. Arbeitszeiten von 10-12 Stunden am Tag waren keine Seltenheit. Die Arbeitssituation war insbesondere zu Beginn der Industriellen Revolution mehr als schwierig und besserte sich über die Zeit nur langsam.

Weitverbreitete Kinderarbeit

Hierbei hatten es Kinder lange Zeit besonders schwer und ihnen konnte – im Gegensatz zu heutigen Verhältnissen – nicht immer eine Kindheit zugesichert werden. Dabei hat sich die Situation und Stellung von Kindern hat sich über die Jahrhunderte stark gewandelt. Bis etwa 1800 galten Kinder als „kleine Erwachsene“ und wurden lediglich als unmündige Erwachsene angesehen. Nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 (§ 25, Teil I, 1. Titel) endete die Kindheit nach dem siebten Lebensjahr, die rechtliche Volljährigkeit begann allerdings erst mit dem 25. Lebensjahr. In der preußischen Rheinprovinz war man nach Zehnten Titel, Ersten Kapitel, Nr. 388 des code civil mit der Vollendung des 21. Lebensjahres volljährig.  Geändert hat sich dies im Deutschen Reich im 19. Jahrhundert, in welchem die Kindheit erst mit der Konfirmation oder Firmung endete. So wurde die Kindheit erst langsam eine eigenständige Lebensphase.

Kinderarbeit war aber weit verbreitet und wurde erst nach 1839 auf Bitten des Provinziallandtages und Initiative des rheinischen Seidenfabrikanten Johannes Schuchhard für Kinder unter 9 Jahren verboten und für unter 16-Jährige auf 10 Stunden pro Tag begrenzt. Auch die Beschäftigung vor 5 Uhr morgens und nach 9 Uhr abends, sowie an Sonn- und Feiertagen wurde verboten. Trauriger Anlass für Schuchhard war der verzweifelte Selbstmordversuch einer zwölfjährigen Fabrikarbeiterin in Wuppertal. Dies war allerdings kein Einzelfall. Für den Zeitraum 1869 bis 1898 sind in Preußen 1708 Kinder erfasst, die sich das Leben nahmen.

Eine leichte Besserung der Kinderrechte trat formal 1853 in Kraft, als das Regulativ von 1839 abgeändert wurde. Ab dann durften unter anderem Kinder erst ab 12 Jahren in Fabriken beschäftigt werden und die Arbeitszeit für unter 14-Jährige wurde auf 6 Stunden herabgesetzt – dabei kam es allerdings zu einer Verschiebung in den privaten Erwerbsbereich. Eine weitere Besserung ist ab 1871 festzustellen, als der Fortschritt im Maschinenwesen die Arbeit von Kindern unrentabel machte. Dies führte aber lediglich zu einer weiteren Verschiebung in andere Arbeitskontexte.

Kinder waren somit lange Zeit ein fester Bestandteil der Arbeitswelt und sorgten gerade in ärmlichen Familien für ein dringend notwendiges Zubrot. Allein nach regelmäßigen amtlichen Berufszählungen ist davon auszugehen, dass noch 1900 im Deutschen Reich mindestens 535 000 Kinder erwerbstätig waren – aufgrund unzureichender Erfassung kann von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen werden.


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Kinder arbeiten in einer Fabrik.
Um 1900.
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Die Rheinprovinz (in rot) im Gesamtbild des preußischen Staatsgebietes (um 1900).

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