BIOGRAPHIEN
1794-1814. Das Rheinland zwischen Frankreich und Preussen
Mit der Französischen Revolution wurde Preußen zuerst in seinen rheinischen Landesteilen konfrontiert. Nach dem gescheiterten Versuch, gemeinsam mit Österreich die Revolution durch eine militärische Intervention niederzuschlagen, besetzten französische Truppen 1794 endgültig das linksrheinische Deutschland. Preußen arrangierte sich im Separatfrieden von Basel 1795 mit der Republik Frankreich, verzichtete auf seinen linksrheinischen Besitz und erlangte durch die Aufteilung des Königreichs Polen einen riesigen Gebietszuwachs im Osten. Die zwei Jahrzehnte dauernde französische Herrschaft in den Rheinlanden entfaltete eine bis weit in das 19. Jahrhundert reichende Prägekraft.
Die Ideen und Parolen der Revolution stießen hier anfangs auf eine positive Resonanz. Doch bald zeigte sich, dass die revolutionäre Befreiungsideologie eine zunehmend chauvinistische Expansionspolitik verbrämte. Zukunftsweisend dagegen war die Übertragung des republikanischen französischen Rechts- und Gerichtswesens auf die besetzten deutschen Gebiete, wie auch die Übertragung der 1790 unter dem Revolutionsregime geschaffenen Verwaltungsstrukturen. Im Linksrheinischen wurden die 150 ehemaligen feudalen Herrschaftsgebilde durch vier administrative Großgebiete (Départements) ersetzt: Mont-Tonnere (Donnersberg) mit dem Hauptort Mainz, Sarre (Trier), Rhin-et-Moselle (Koblenz) und Roer (Aachen). Mit Verlegung der französischen Zollgrenze von der Maas an den Rhein erschloss sich dem linksrheinischen Gewerbe zudem ein riesiger Binnenmarkt.
Napoleon ersetzte 1800 die Kollegien, welche bisher die Departements geleitet hatten, durch Einzelbeamte (Präfekten). Gleichzeitig erfolgte eine Neugliederung der Departements in vier Unterbezirke (Arrondissements). Die Präfekten der neuen linksrheinischen Departements waren französische Karrierebeamte, Einheimische besetzten zahlreiche Stellen der mittleren und unteren Ebenen. So fungierte der aus Düsseldorf stammende Tuchfabrikant Johann Friedrich Jacobi (1765-1831) zweimal als Interims-Präfekt des Roer-Departements.
Obwohl sich die Einwohner der ehemals preußischen Provinzen mehrheitlich gegen eine Eingliederung nach Frankreich gesträubt hatten, fand man sich doch auf der linken Rheinseite zunehmend mit den Tatsachen ab. Mit dem Frieden von Lunéville 1801 wurden diese auch völkerrechtlich besiegelt – alle Deutschen des linken Rheinufers waren nun Bürger der Französischen Republik. Diese wurde längst von nur noch einem Mann regiert: General und Erster Konsul Napoleon Bonaparte, der sich 1804 nach vorherigem Plebiszit zum Kaiser der Franzosen krönte. Preußen hatte sich mittlerweile auf der rechten Rheinseite durch die Säkularisation des geistlichen Westfalens für den linksrheinischen Verlust mehr als entschädigt, konnte sich aber des territorialen Zugewinns nicht lange erfreuen.
Nach den triumphalen militärischen Siegen über die Koalition Österreich-Russland 1805 und im Jahr darauf über Preußen dehnte Napoleon seinen Machtbereich auch über den Rhein aus. Die Gründung des Rheinbundes 1806, in dessen Struktur sechzehn deutsche Staaten dem französischen Kaiserreich auch militärische Gefolgschaft leisteten, bedeutete die endgültige Auflösung des Alten Reiches und markierte den Höhepunkt der Herrschaft Napoleons. Preußen verlor im Frieden von Tilsit 1807 u.a. sämtliche westdeutschen Besitzungen. Napoleon formte auch aus diesen Gebieten mit dem Königreich Westfalen und dem Großherzogtum Berg zwei neue rechtsrheinische Vasallenstaaten.
Wie auf dem linken Rheinufer kamen der Bevölkerung im Großherzogtum Berg nun auch weitreichende napoleonische Modernisierungen zugute: die Einführung einer zentralgegliederten Verwaltung mit dem Präfektursystem, die Aufhebung feudaler Lasten, die Einführung der napoleonischen Gesetzbücher und Religionsfreiheit auch für die jüdischen Einwohner. Der Ausgleich mit der Römischen Kirche wirkte ebenso beruhigend wie die Gleichstellung der Konfessionen. Allerdings litten Handel und Gewerbe sehr unter der starren Zollgrenze und der von Napoleon 1806 verhängten Kontinentalsperre gegen den Handel mit England. Zudem fehlte die Zeit zur gewünschten Entfaltung der zukunftsweisenden Einrichtungen und Gesetze. Mit dem andauenden Kriegszustand trat der Vasallenstatus des Großherzogtum Berg immer mehr in den Vordergrund.
Allmählich traten die bedrückenden Aspekte dieser Herrschaft immer deutlicher hervor. Mit den andauernden Kriegen gingen erhöhte Besteuerung, vermehrte Aushebungen zum Militärdienst und zunehmende staatliche Repressalien einher. Ab 1811 überwogen ökonomische Krisenerscheinungen und despotische Wesenszüge der napoleonischen Regierung. Die Katastrophe der Grande Armée in Russland 1812 leitete das Ende des Empire ein.
Das auch territorial stark reduzierte Königreich Preußen hatte den politischen Entwicklungen im Westen ferngestanden, dafür jedoch hier wirksame gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierungsimpulse in den Stein-Hardenbergschen Reformen umgesetzt. Das preußisch-russische Militärbündnis im Februar 1813 stand am Beginn der sogenannten antinapoleonischen Befreiungskriege.
Literatur:
Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947, München 2007
Pierre Horn, Le défi de l’enracinement napoléonien entre Rhin et Meuse, 1810-1814, Berlin [u.a.] 2017
Bernhard Struck, Claire Gantet, Revolution, Krieg und Verflechtung: 1789-1815, Darmstadt 2008
Jürgen Wilhelm in Zusammenarbeit mit Georg Mölich und Alexander Schmalz (Hg.), Napoleon am Rhein. Wirkung und Erinnerungeiner Epoche, Köln 2012
Veit Veltzke (Hg.), Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein und Weser, Köln 2007
Unterthemen:
> Revolutionäre Ereignisse am Niederrhein
> Preußens Arrangement mit Frankreich - Der Friede von Basel
> Das Empire am preußischen Niederrhein
> Aufstand gegen das Empire – Der Zug Ferdinand von Schills 1809
> Christoph Wilhelm Henrich Sethe – Ein preußischer Beamter im Dienst Napoleons
< Zurück zum Überblick "Brandenburg-Preussen am Niederrhein (17./18. Jh.)"
Sucheingabefeld
mit seiner Tochter Maria Katharina, Johann Baptist Bastiné, Aachen 1817, Öl auf Leinwand © LVR-Niederrheinmuseum Wesel, Dauerleihgabe: Stedelijk Museum Het Domein, Sittard.
Guaita (1766-1821) trägt die Orden der Ehrenlegion, verliehen vom Kaiser Napoleon 1811, und den preußischen Roten Adler, verliehen 1817 von Friedrich Wilhelm III.