BIOGRAPHIEN

Revolutionäre Ereignisse am Niederrhein

Degen eines deutschen Jakobiners, Mittelrhein 1793, Messinggefäß, vergoldet, Griff mit Kupferdrahtwicklung, zweischneidige Klinge mit Zierätzungen, Devise: „Es Lebe Die Republick“ © LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Befreiung von absolutistischer Willkür und feudaler Bedrückung, Wegfall ständischer Schranken und Aufbruch in eine neue Zeit! Die französischen Truppen brachten die revolutionären Versprechungen auch an den ehemals preußischen Niederrhein. Die Soldaten wurden von „Volksrepräsentanten“ begleitet, Kommissare der Regierung mit gleichsam diktatorischer Befehlsgewalt auch gegenüber den Militärs. Das wertlose Papiergeld der Republik (Assignaten) musste bei Todesstrafe angenommen werden. Die Soldaten verhielten sich den Einwohnern gegenüber überwiegend diszipliniert und anständig. Die Lasten der Okkupation waren jedoch drückend und in einigen ländlichen Bezirken sogar existenzbedrohend: Kontributionen, Requisitionen, Einquartierungen und Zwangsdienstverpflichtungen. Die sofortige Absetzung und Vertreibung der früheren Behörden und ihre Ersetzung durch sehr häufig unqualifizierte, dafür aber höchst linientreue „Beamte“ führten zu Misswirtschaft und Korruption.

In den ersten Jahren wechselten zudem die Zielsetzungen der Regierungen in Paris hinsichtlich der Rheinlande. Konstant blieb in jenen ersten Jahren der „Franzosenzeit“ lediglich das Bemühen, die Besatzungsarmee aus dem Lande zu ernähren.

Eine Besserung trat zunächst ein, als General Lazare Hoche, der Oberbefehlshaber der französischen Maas- und Sambre-Armee, im Februar 1797 vom Pariser Direktorium auch mit der verwaltungsmäßigen Organisation im französisch besetzten Deutschland beauftragt wurde. Hoche beendete die unregelmäßigen Requirierungen, rief die alten Beamten wieder zurück [und], stellte die frühere Behördenorganisation wieder her und betraute eine in Bonn errichtete „Intermediäre Kommission“ mit der zentralen Oberverwaltung. Auch die preußischen Beamten konnten nun in ihre alten linksrheinischen Verwaltungssprengel zurückkehren und ihre Tätigkeit unter der französischen Okkupationsregierung wiederaufnehmen. 

Nach dem plötzlichen Tod Hoches endete diese Phase der administrativen Restauration. Die Regierung in Paris bezog nun die linksrheinischen deutschen Gebiete in das französische Rechts- und Verwaltungssystem ein. Damit kehrte auch der republikanische Alltag endgültig in diese Gebiete ein. Das Aufstellen von Freiheitsbäumen wurde allen Gemeinden zur Pflicht gemacht, die „Bürgerinnen“ und „Bürger“ hatten bei Strafandrohung die dreifarbige Revolutions-Kokarde stets sichtbar zu tragen. Religiöse Symbole, Zeichen und Zeremonien außerhalb der Kirchen wurden verboten. Am 19. Juli 1798 erfolgte die hiesige Einführung des republikanischen Kalenders mit Wegfall des Sonntags und aller christlichen Feiertage. Als Anrede auch im öffentlichen Verkehr wurde das „Du“ amtlich bestimmt. In größeren Städten wie Kleve eröffneten revolutionäre Jakobinerklubs, denen die alten Bürgersozietäten ein Dorn im Auge waren.

Bei einer Volksabstimmung über die Frage der endgültigen Annexion durch die Republik sprachen sich die Einwohner in den ehemals preußischen Gebieten des linken Niederrheins mit großer Mehrheit dagegen aus. Noch hofften die meisten, bald wieder dem preußischen Staat anzugehören. Die Hoffnungen wurden selbst von höheren preußischen Beamten geteilt, die nach Kleve zurückgekehrt waren. Von hier aus konnte auch nach 1798 noch das Justiz- und Schulwesen im rechtsrheinischen Teil des Herzogtums Kleve verwaltet werden – ein administrativer Schwebezustand, der bis 1803 anhielt.

Die große Politik war jedoch längst über die Köpfe der Betroffenen hinweggegangen. Preußen hatte bereits in einem Geheimvertrag (Berlin, 5. August 1796) den Verzicht auf das linke Rheinufer bestätigt. Seine dortigen Besitzungen waren de facto Teile der Republik Frankreich, was durch den Frieden von Lunéville 1801 dann auch völkerrechtlich bestätigt wurde.

Weitere Unterthemen:

> Preußens Arrangement mit Frankreich - Der Friede von Basel

> Das Empire am preußischen Niederrhein

> Säkularisation

> Aufstand gegen das Empire – Der Zug Ferdinand von Schills 1809 

> Christoph Wilhelm Henrich Sethe – Ein preußischer Beamter im Dienst Napoleons

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Amtsabzeichen für französische Staatsanwälte, um 1800, Silber vergoldet, Email, Inschriften in Gold: Vs „La Loi“, Rs „Accusateur Public“ © LVR-Niederrheinmuseum Wesel
Amtsabzeichen für französische Justizbeamte, vermutlich Friedensrichter, 1793-1799, Messing, Emaille, Glasperlen, vergoldete Jakobinermütze und Schriftzug „La Loi Et La Paix“, auf ausgeblichener Trikolore © LVR-Niederrheinmuseum Wesel